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Ich gehöre zur bereits unter Artenschutz stehenden Spezies der Genussraucher und habe mich mittlerweile an die Restriktionen gewöhnt. Geraucht wird nur mehr auf der Terrasse, am besten im Dunkeln, wenn mich niemand sieht.
Aber, ich habe auch eine durchaus genussvolle Alternative gefunden, mir Nikotin in homöopathischen Dosen zuzuführen. Ich spreche von wirklich homöopathischen Dosen im Bereich von µg (Mikrogramm). Um diese Grössenordnung zu verdeutlichen: 1 µg bedeutet 1 millionstel Gramm (10-6).
Was ist Nikotin? 5 % der Tabakpflanze bestehen aus dem Nervengift Nikotin, das bei der Pflanze natürliche Fressfeinde abwehrt und beim Menschen durch den direkten Einfluss auf das Gehirn zur vermehrten Ausschüttung von Serotonin, Dopamin und Adrenalin führt. In schwacher Konzentration ist Nikotin in allen Nachtschattengewächsen vorhanden. Tomaten, Kartoffeln, Auberginen, Paprika, Chili und einige Zier- und Giftpflanzen gehören zu dieser Gruppe.
Als Kind mochte ich den Geschmack von Auberginen nicht, mittlerweile bin ich fast süchtig danach! Da kommt es mir sehr zugute, dass die israelische Küche ohne Auberginen nicht vorstellbar ist.
Gibt es überhaupt die israelische Küche? Es gibt sie ebenso wenig, wie es die österreichische Küche gibt. Beide werden geprägt von den zahlreichen Herkunftsländern der Menschen, die dort leben.
Das berühmte Wiener Schnitzel stammt aus Venetien. Dort belegten reiche Kaufleute in der Renaissance ihre Speisen mit Blattgold, bis die katholische Kirche ein Verbot aussprach. Seither wird das Gold durch goldfarbene Panier ersetzt. Das wiederum ist keine Erfindung der Venezianer. Paniertes Kalbfleisch kannten schon die Juden Konstantinopels im 12. Jahrhundert.
Mit der Wanderung der Juden durch Europa gelangte es dann wohl nach Mailand und von dort aus weiter nach Wien.
Aus Polen stammen zahlreiche Gerichte und Zutaten, die sich heute in der israelischen Küche finden: rote Rüben, Karpfen, Salzgurken, die eher süssliche Würzung von Salaten und Gemüsen, aber auch von Gefillte Fisch.
In Israel ist die Küche noch bunter und vielfältiger. Kein Wunder, schaut man die Herkunftsländer der Israelis an, so wird klar, dass die Fusionküche nicht in den USA entstanden ist.
In Tel Aviv findet man heute ein nahezu weltumspannendes kulinarisches Angebot, nicht immer koscher, oder besser, meist nicht koscher, aber multikulti. Jerusalem ist da ein bisschen traditioneller, das Angebot ist nicht ganz so international, dafür aber meist koscher. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es alles, was der hungrige Gaumen sucht.
Sucht man die europäische Küche, so findet man eine Mischung aus nord-, mittel- und osteuropäischer Esskultur. Hier gibt es die deftige Küche, die an das europäische Klima angepasst wurde:
Pelemi, die nicht unähnlich den gefüllten Ravioli aus Sibirien stammen, selbstverständlich mit Rindfleisch und ohne Butter zubereitet.
Borscht, die aus der Ukraine stammende Suppe, die durch ihre dunkelrote Farbe besticht. Jede Familie hat bis heute ihr eigenes Rezept, rein vegetarisch, fleischig oder milchig
Gehackte Leber darf auf keinem Schabbat- oder Festtagstisch fehlen. Nachdem Hühnerlebern sehr klein sind und auch als Vorspeise kaum für vier Personen ausreichen, muss man sie strecken. Meine Schwiegermutter tat dies mit einer in der Hühnersuppe mitgekochten Karotte. Bitte nicht, wie im Rezept angegeben durch den Fleischwolf drehen oder gar mit dem Mixer bearbeiten, gehackte Leber muss gehackt werden, und zwar von Hand! Noch besser ist der Geschmack, wenn man die Leber über einem offenen Feuer grillt. Und nur dann ist die Leber koscher!
Bejgalach, in der amerikanisierten Form als Bagle bekannt. Bereits 1610 wurde das Gebäck in Krakau in einer Verordnung der jüdischen Gemeinde erwähnt, wonach es erst kurz gekocht und erst anschliessend gebacken werden soll. Es gibt sie als süsse und als salzige Version, mein Lieblingsbagle ist gefüllt mit Räucherlachs und Frischkäse.
Kascha, die gesunde Alternative zu Reis, Teigwaren oder Kartoffeln, wird aus Buchweizen hergestellt. Dieser gehört zur russischen Küche wie Polenta zur Küche Italiens. Mit verschlagenem Ei gebratenes Kasha in Hühnersuppe gegart und über flache Teigwaren verteilt, findet man als Beilage in jedem Take out, der von Aschkenazim geführt wird.
Den Tscholent, einen der Klassiker der aschkenasischen Küche darf ich nicht vergessen, auch wenn er mir fürchterlich im Magen liegt. Die Frage, warum Eier mitgekocht werden, ist für mich bis heute unbeantwortet. Woher der Name kommt, wo also tatsächlich der Ursprung dieses archaischen Schabbat Gerichtes kommt, weiss niemand. Die Vermutung liegt nahe, dass der Name vom Französischen chaud= warm und lente = langsam abgeleitet sein könnte. Und damit wäre er dann nahe beim „Bäckeoffe“, jener Spezialität aus dem Elsass, die am Waschtag morgens zum Bäcker gebracht wurde, dort in der Restwärme des Backofens garte und am Abend wieder abgeholt wurde.
Etwas leichter und deshalb auch als Sommeressen mit jeder Art von Salat zu geniessen sind Gefillte Fisch. Dieses Gericht stammt aus der aschkenasischen Küche und schmeckt dort leicht süsslich. In der sephardischen Küche wird es mit Pfeffer abgeschmeckt. Ganz selten findet man es noch in der Originalversion, bei der die Karpfenmasse zum Garen wieder in die Fischhaut eingefüllt wird. Heute wird der „gefillte“ Fisch meist als Klöschen serviert.
Und dann die Lebensrettersuppe, die Hühnersuppe! Auf fast keinem Schabbattisch darf sie fehlen. Dass sie als „Jüdisches Penicillin“ bezeichnet wird, kommt nicht von ungefähr. Sie enthält unter anderem den Eiweissstoff Cystein und Zink. Beides hilft dem angeschlagenen Körper sich schnell zu erholen und die angreifenden Viren abzuwehren. Ein bisschen Fett darf in der Suppe bleiben, von irgendwoher muss ja die Farbe kommen. Aber auch eine mitgekochte Tomate oder Zwiebel in der Schale dient dem gleichen Zweck.
Nicht zu vergessen auch die Süssigkeiten! Hier kommen nur zwei der bekanntesten Beispiele. Sufganiyot, die den Krapfen oder Berlinern gleichen, aber nie in Schweineschmalz aufgebacken werden. Blintzes sind nichts anderes als Palatschinken oder dünne Pfannkuchen, die mit allem gefüllt werden können, was gerade im Haus ist, Hauptsache, es ist süss!
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Es gibt natürlich die leichtere, levantinisch geprägte Küche jener Juden, die ihren Ursprung in Spanien hatten und von dort auf der Flucht und in der Folge der Inquisition nach Nordafrika, Israel, Italien, Griechenland aber auch nach Deutschland auswanderten.
Die sephardische Küche ist eine Fundgrube eintopfähnlicher Gerichte. Fleisch, vor allem in gegrillter Form dient meist als Beilage.
Couscous ist ein nordafrikanisches Gericht, das sowohl warm als Beilage oder Hauptgericht serviert wird, oder auch kalt als Salat. Hergestellt aus Hartweizengriess kann er mit jeder Art von Gemüse und Fleisch kombiniert werden. Couscous ist kein Fast Food Gericht, ausser man bedient sich des überall angebotenen 10 Minuten Couscous. Dieses Rezept hier ist recht authentisch.
Taboule nennt man den Couscous Salat. Hierzu wird der fertige und abgekühlte Couscous mit Paprika, Tomaten, Knoblauch, Zwiebeln, Chili, frischer Minze und Rosinen, alles ganz fein geschnitten, gemischt und mit Olivenöl und Harissa abgeschmeckt. Zur Dekoration werden oft kleine schwarze Oliven genommen.
Tajine ist ein nordafrikanischer Kochtopf, der eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Römertopf hat. Er ist in der Regel aus Ton oder Keramik hergestellt. In der Spitze des meist konischen Deckels befindet sich eine kleine Mulde, die während des Kochvorgangs mit Wasser gefüllt wird. Hierdurch kann der im Topf entstehende Dampf nicht entweichen, sondern kondensiert und rinnt wieder zurück auf den Garteller. Fleisch und Gemüse werden so schonend im Dampf gegart und behalten ihren intensiven eigenen Geschmack. Die Tajine wird auch als Serviergeschirr auf den Tisch gestellt. Gewürzt wird oft mit Oliven, Zitrone, Minze, Harissa, aber auch mit Zimt, Knoblauch, Kreuzkümmel, Rosinen und Aprikosen. Dazu gibt es Fladenbrot oder…. Couscous!
Das beliebteste Fleisch der sephardischen Juden ist das Lammfleisch. Dieses Fleisch, und zwar nicht die mageren Stücke, die in der europäischen Küche so beliebt sind, sondern die stark durchwachsenen, fetthaltigen sind die Grundlage für Merguez. Merguez werden scharf gewürzt mit Paprika, Knoblauch, Kreuzkümmel und Harissa und gegrillt, bis die Haut nahezu verbrannt und die Würste dunkelrot sind. Je weniger Fett man in der Wurst haben will, desto öfter sticht man vor dem Grillen die Haut an, damit das Fett austreten kann.
Ganz oben auf der Hitparade der beliebtesten warmen Speisen steht Shakshuka. Heute findet man dieses Gericht in den meisten Hotels auf dem Frühstücksbuffet, jedes noch so kleine Café bietet es zum Frühstück an. Auch als schnelles, vegetarisches Mittag- oder Abendessen ist es durchaus geeignet. Auf einem Bett von gedünsteten Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch, gewürzt mit Chili, Kardamom, Kreuzkümmel und Harissa werden pro Person ein bis zwei Eier langsam gegart. Der Zeitaufwand richtet sich einerseits danach, wie schnell die Tomatenflüssigkeit eingekocht ist und wie der Garungsgrad der Eier sein soll.
Humus, die gehaltvolle Paste aus gekochten Kichererbsen, die mehr oder weniger stark gewürzt wird, gehört ebenso zu den beliebten Snacks wie Falafel, jenen pikanten gewürzten frittierten Bällchen aus Kichererbsen, die mit einer Sauce aus Tehina (gemahlenen Sesamsamen), die ebenfalls pikant abgeschmeckt ist, serviert werden. Vielerorts wird Humus mit Tehina gestreckt. Im Original ist das allerdings verpönt.
Die israelische Antwort auf Fast Food à la Hamburger oder Currywurst ist die Pita Brot Tasche. Pita ist ein fluffiges Hefebrot mit einer Tasche, die gefüllt wird mit Salaten, Falafel und Tehina und die eine vollwertige, schmackhafte und gesunde Mahlzeit darstellt.
Und dann natürlich das Gemüse! Allem voran, und damit schliesse ich den Kreis: Auberginen!
In meiner Küche dürfen sie nicht fehlen. Als Ganze im heissen Backrohr für etwa 40 Minuten bei 250° gegrillt (manchmal umdrehen, die Haut einstechen, damit sie nicht platzt!) bekommt sie einen leicht rauchigen Geschmack. Das Fruchtfleisch aus der Aubergine herauslöffeln und je nach Geschmack würzen. Sie vor dem Würzen abtropfen zu lassen, ist nicht nötig, die Konsistenz der Auberginencreme dickt noch nach. Je nach Geschmack kann man auch ein wenig Mayonnaise oder Tehina dazugeben. Gut durchkühlen lassen. Eine bekannte Variante ist Baba Ganoush. Bei diesem Gericht wird die Creme mit Zitronensaft, Olivenöl, Knoblauch, Kreuzkümmel und Kurkuma gewürzt und mit Granatapfelkernen dekoriert.
Die vegetarische moderne Antwort auf gehackte Leber ist Aubergine mit Lebergeschmack. Die Grundlage hierfür sind gewürfelte frittierte Auberginen (mit der Schale) und Zwiebeln, die je nach Geschmack gewürzt werden.
Auberginenscheiben lassen sich auch vortrefflich grillen und werden mit Olivenöl und feingehackten bunten Paprika und Knoblauch mariniert.
In der modernen Küche findet man häufig halbierte gegrillte Auberginen, die entweder mit Tehina oder mit Silan (Dattelsirup) serviert werden.
Wer nach dem Essen immer noch hungrig ist, kann sich an einer breiten Auswahl von Obst oder Blätterteiggebäck erfreuen.
Ganz sicher ist aber noch Platz für einen „Kafi Turki“ mit Kardamom, oder für einen Schwarztee mit Nana (Minze).
Unser grossartiger Präsident Shimon Peres ז״ל soll einmal in einem Interview gesagt haben, er möge keine Auberginen und gereimt haben „chatzil – magil“ (Auberginen – widerlich). Für seine Familie gab es nach der Einwanderung nach Israel im Jahr 1934 vor allem eben diese Chatzil. Früchte mit einem nichtssagenden schaumgummiartigen Fruchtfleisch mit einer ausgeprägten Tendenz ins Bittere. In Wischnewa, seinem Heimatort in Weissrussland hatten sie als klassische Aschkenazim Gurken, Dill und Rote Beete geliebt. 1987 gab er mit 64 Jahren das Rauchen auf, schade, dass er damals noch nicht die tolle Alternative kannte!
©esther scheiner, israel