ב“ה
2./3. Schwat 5781 15./16. Januar 2021
Schabbateingang in Jerusalem: (Kerzenzünden) 16:12
Schabbatausgang in Jerusalem: 17:32

Der Titel des zweiten Buch Mose und auch dieses Wochenabschnittes heisst, «Schmot»,was soviel bedeutet wie «die Namen». Und so erfahren wir, wie gross die Nachkommenschaft in den vergangenen Jahrhunderten, seit Josef nach Ägypten verschleppt wurde, geworden ist. Aus den siebzig Menschen, die sich mit Israel und seiner Familie in Goschen ansiedelten, ist ein grosser Stamm geworden.
Hier erfahren wir auch die Namen von Moses’ und Aarons’ Eltern: Amram und Yocheved, beide aus dem Stamm Levi, des dritten Sohnes von Israel und seiner ersten Frau Lea. Amram war ein Enkel Levis’, seine Frau Yocheved war eine Tochter Levis’, also seine Tante. Aus der talmudischen Literatur ist bekannt, dass sie gemeinsam mit ihrer Tochter Mirjam als Chef-Hebamme in Ägypten tätig war. Es liegt daher nahe, dass es sich bei diesem Mutter-Tochter Team um die zwei Hebammen handelt, die sich dem Befehl Pharaos widersetzt hatten und so die Kinder der Israeliten hatten überleben können.
Im letzten Wochenabschnitt haben wir Moses mit seinem Bruder erlebt, wie sie sich auf Geheiss Gottes auf den Weg zu Pharao machte. Dort wollten sie erreichen, dass er sie freiwillig aus der Sklaverei in Ägypten ziehen lassen würde. Allerdings hatte Gott ihnen gesagt, dass das nicht ohne Probleme möglich sein würde, und seine tatkräftige Unterstützung zugesagt. Die Kinder Israel wurden unruhig und beschwerten sich heftig bei Moses, dass er nichts erreicht hatte. Wenn sich vor der geplanten Flucht so viele Probleme vor ihnen auftaten, dann wäre es doch vielleicht besser zu bleiben und sich zu fügen.
Wiederum spricht Gott direkt zu Moses. Er stellt sich erstmals mit seinem neuen Namen «HaShem» vor, was soviel heisst, wie «der Name». Den Vorvätern war er noch unter dem Namen «El-Shaddai» (der Allmächtige) erschienen. Er erinnert an den mit den Vorvätern geschlossenen Bund und das Versprechen, sie nach Kana’an zu führen. Er verspricht den Kindern Israel, sie als sein Volk anzunehmen und fortan ihr Gott zu sein. (Ex 6:7)
Kana’an bezeichnete er einerseits als «Land, in dem Milch und Honig fliesst», aber auch als das Land, in dem die Vorväter der Kinder Israel vor vielen Generationen als Fremde gelebt hatten. Im letzten Wochenabschnitt bezeichnet Gott das Land, das er ihnen versprochen hat, als «gutes und weites Land». (Ex 3:8) Das Land Ägypten, מִצְרַיִם wird im jüdischen Verständnis immer als das Land angesehen, in dem die Kinder Israel beengt lebten. Es wird auch tatsächlich oft als «beengtes Land» übersetzt. Beengt einerseits im Sinne einer räumlichen Beschränkung auf die Region Goshen, die ihnen als Siedlungsgebiet zugewiesen worden war, anderseits aber auch im Sinn einer zunehmenden Einschränkung durch die immer bedrückender werdende Sklavenarbeit. Die Prophezeiung, in ein «gutes und weites Land» geführt zu werden, beutetet also nicht nur die Erfüllung des Wunsches aus einem engen Land, sondern auch aus einer aufgezwungenen persönlichen Beschränkung entfliehen zu können.
Dreimal nennt er seinen Namen «HaShem» und seinen Willen, sie aus der Sklaverei hinauszuführen. Und er kündigt nochmals Strafen für die Ägypter an. Moses, der als Sprachrohr Gottes auserwählt wurde, gibt dies weiter an die Kinder Israel. Er wird voller Enthusiasmus gewesen sein, voller Hoffnung, in Gott einen starken Verbündeten zu haben, der sein Volk retten wird. Ganz anders aber ihre Reaktion.
Sie litten so unter der schweren Arbeit, dass sie Moses nicht zuhörten. Menschen, die tagein, tagaus schwere Sklavenarbeiten verrichten müssen, leiden oft stärker unter der psychischen Belastung der Abhängigkeit und Erniedrigung als unter den physischen. Als Folge einer andauernden physischen Belastung kann diese sich durchaus auch als Depression manifestieren. Zeichen einer Depression können Antriebslosigkeit und Verlust der Lebensfreude sein. Das könnte erklären, warum sie sich nicht mitreissen liessen, sondern nur weiter jammerten. Sie haben sich offensichtlich mit ihrem Leid abgefunden. Sie haben nahezu aufgegeben. Sie lehnen es ab, mit diesem Führer, Moses, der in ihren Augen offensichtlich nichts fertigbrachte, zu kämpfen.
Moses braucht dringend die Unterstützung Gottes, wenn er sein Volk irgendwie motivieren will, sich ihm anzuschliessen. Gott sagt ihm Folgendes: «Ich bin HaShem. Ich führe euch aus dem Frondienst für die Ägypter heraus und rette euch aus der Sklaverei. Ich erlöse euch mit hoch erhobenem Arm und durch ein gewaltiges Strafgericht über sie.
Ich nehme euch als mein Volk an und werde euer Gott sein. Und ihr sollt wissen, dass ich HaShem bin, euer Gott, der euch aus dem Frondienst in Ägypten herausführt.
Ich führe euch in das Land, das ich Abraham, Isaak und Jakob unter Eid versprochen habe (…).» (Ex 6:6-8)
Fünf Verben, die das Versprechen Gottes an die Kinder Israel bekräftigen. Aber vor dem letzten Versprechen, das das erste verstärkt, kommt ein Einschub, die conditio sine qua non: «Und ihr sollt wissen, dass ich HaShem bin, euer Gott, der euch aus dem Frondienst in Ägypten herausführt.» Nur dann, wenn die Kinder Israel diese Bedingung akzeptieren, und zwar ohne Wenn und Aber, nur dann wird Gott sein Versprechen einlösen.
Auch an diese Szene erinnern wir uns am Seder Abend, wenn wir fünf Gläser Wein trinken. Nicht, um uns zu berauschen, sondern um und dieser Vorbedingung wieder bewusst zu werden.
Moses beklagt sich zum zweiten Mal, dass man ihm nicht zuhört und führt das auf seinen Sprachfehler zurück. Gott beauftrag daraufhin noch mal Moses und seinen älteren Bruder Aaron zu Pharao zugehen. «Ich werde dich gegenüber Pharao zu Gott machen und dein Bruder Aaron soll dein Prophet sein. Du sollst alles sagen, was ich dir auftrage; dein Bruder Aaron soll es dem Pharao sagen und der Pharao muss die Israeliten aus seinem Land fortziehen lassen.» (Ex 7:2)Aber, er betont nochmals, dass es so einfach nicht funktionieren wird. Er wird nämlich, und das zeigt seine Absicht, Pharao taub machen für die Klagen der Israeliten, sodass es die angekündigten Strafen braucht, um das Ziel zu erreichen.
Aaron musste als Erster antreten. Sein Stab, nicht der von seinem Bruder Moses, wurde, auf den Boden geworfen zu einem Krokodil. Auch die Zeichendeuter Pharaos warfen ihre Stäbe zu Boden und auch sie wurden zu Krokodil. Es wird meist von «Schlangen» gesprochen tatsächlich heisst es aber in Ex 7:9-10 תַנִּין und in Ex 7:12 תַנִּינִם, also «tanin/taninim» dem hebräischen Wort für Krokodil. Die Krokodile Aarons’ töteten die der Ägypter. Der Krokodilgott der Ägypter «Sobek» war zugleich der Herrscher des Nils, aber auch der Gott der Fruchtbarkeit. So betrachtet, ist dies ein direkter Angriff auf Pharao als weltlichen Repräsentanten der Götter aus dem Jenseits.
Wenn wir uns am ersten Abend des Pessachfestes beim Seder an die zehn Plagen erinnern, die Gott über Ägypten und den Pharao schickte, bevor er die Kinder Israel ziehen liess, finden wir in diesem Wochenabschnitt die ersten sieben: Blut – Frösche – Stechmücken -Ungeziefer – Viehseuche – Pocken und Hagel. Jede Haggadah (das Buch, das wir am Seder Abend lesen) zeigt deutliche Spuren der Rotweintropfen, die wir verspritzen, während wir die Plagen rezitieren.
Bei den ersten sechs Plagen verstärkten die Zeichendeuter Pharaos’ die Erscheinungen, indem sie ohne Erfolg versuchten, diese zu neutralisieren. Von den Pocken werden sie aber selber geschlagen. Eigentlich hätte das für Pharao das Zeichen sein müssen, aufzugeben und sich dem Gott der Israeliten zu beugen. Aber nein, er blieb stur und uneinsichtig.
Pharao versuchte es mit einem Kompromissvorschlag. Aber Gott lässt nicht mit sich handeln. Zum Zeichen aber, dass er kein grausamer Gott ist, lässt er durch Moses die Empfehlung aussprechen, alle Menschen und Tiere, die sich noch auf dem Feld befanden, in die Sicherheit von Gebäuden zu bringen. Denn am kommenden Tag würde ein gewaltiger Hagelsturm alles vernichten, was sich nicht in Sicherheit befand. Gott hatte dafür gesorgt, dass spätblühende Pflanzen vom Unwetter verschont werden würden, so dass es Nahrung für die Ägypter geben würde.
Und so fielen alle Pflanzen, Tiere, Menschen dem Unwetter zu Opfer, die keinen Schutz gesucht hatten. Und wiederum wurde Goshen verschont. Pharao schien nun endgültig zu verstehen, dass er im Unrecht war und er flehte darum, das Unwetter enden zu lassen.
Gott liess ihm durch Moses seine Bedingung stellen. Sobald die Kinder Israel die Stadt verlassen hätten, würde das Unwetter enden. Und natürlich geschah es auch so.
Pharao änderte seine Meinung nochmals und zog seine Zusage zurück.
Shabbat Shalom