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In Zukunft wird es hier keine neuen Beiträge mehr geben, der Blog bleibt aber online.

Ich freue mich, auf meinen neuen Blog https://salonhofhacarmel.wordpress.com hinzuweisen.

Herzlichen Dank für die bisherigen Treue und ich hoffe, dass auch der neue Blog dein Interesse findet.

esther scheiner

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Wochenabschnitt: Bo, Shmot 10:1 -13:16, 2. Buch,

ב“ה

9./10. Schwat 5781    22./23. Januar 2021  

Schabbateingang in Jerusalem: (Kerzenzünden) 16:24

Schabbatausgang in Jerusalem:                              17:44

Im letzten Wochenabschnitt haben wir erlebt, wie Gott Pharao, dem er das Herz verschlossen hatte, mit sieben Plagen überzog, eine schlimmer als die andere. Und immer wieder zieht der, kurz nachdem die Plage vorbei ist, seine Zusage, die Kinder Israel ziehen zu lassen, zurück. 

Hier beginnt die eigentliche Geschichte des Volkes der Kinder Israel. Dies ist auch der Beginn des jüdischen Jahreskalenders. «Dieser Monat soll für euch der Anfang der Monate sein, er soll der erste in eurem Jahr sein.» (Ex 12:2)

Aber Gott ist auch nicht zufrieden mit den Kindern Israel. Er erkennt, dass auch sie noch nicht so sehr unter ihrem Sklaventum leiden, dass sie einsichtig wären und seine Bemühungen irgendwie unterstützten. Sie haben sich irgendwie eingerichtet in ihrem Leben. Aber Pharao ist ihrer überdrüssig. Er will sie loswerden. 

Gott muss ihnen den Weg dazu bereiten. Aber Gott will, dass sie ihn endlich als ihren einzigen Gott anerkennen. Stattdessen klagen sie weiter und beschweren sich, dass Moses scheinbar nichts für sie erreicht. Nun ist aus dem Jammern und Wehklagen ein lautes Schreien geworden. Trotzdem werden sie von sich aus nicht aktiv.

Bo, der Name des Wochenabschnitts heisst: «Komm!» Gott fordert Moses und seinen Bruder Aaron nicht auf «Gehe zu Pharao!», sondern «Komme zu Pharao!» Wir wissen, dass Gott den beiden versprochen hat, er werde bei ihnen sei. So gesehen kann die mehrfache Aufforderung «Komme zu Pharao!» nur bedeuten «Komme zu Pharao, denn ich bin schon dort und warte auf dich!» So wird auch klar, dass Gott selber es ist, der Pharao als Werkzeug für seine Zwecke einsetzt. 

Die bisherigen sieben Plagen, über die wir in der letzten Woche gelesen haben, waren vergleichsweise harmlos zu denen, die nun noch auf Pharao und Ägypten zukamen. Heuschrecken lassen nichts, aber auch gar nichts übrig, wenn sie erst einmal in ein Gebiet eingefallen sind. Was der Hagel verschont hatte, fiel nun den gefrässigen Insekten zum Opfer.

Moses streckte auf Gottes Geheiss wiederum seine Hand aus und sofort breitete sich überall, ausser im Siedlungsgebiet der Kinder Israel, absolute Finsternis aus. Drei Tage blieb es stockfinster. 

Die Sonne selber war der Sonnengott Re und galt den Ägyptern als Erschaffer und Erhalter der Welt. Ohne den Sonnengott war kein Leben möglich. Das blutige Wasser des Nils war ein Angriff auf den Fruchtbarkeitsgott der Ägypter, auf den Krokodilgott gewesen. Drei Tage ohne Sonnengott muss auf die Ägypter wie ein Angriff auf ihr Leben gewirkt haben. Und es muss wirklich so dunkel gewesen sein, dass keinerlei Bewegung mehr möglich war. 

In Ex 10:22 heisst es חֹשֶׁךְ-אֲפֵלָה   sinngemäss mit «absolute Finsternis» übersetzt. Dieser dreitägige Zustand muss als lebensbedrohlich empfunden worden sein. Im Jüdischen Museum von Berlin steht der «Holocaust-Turm», ein in sich geschlossener nackter Raum ohne Beleuchtung. Sobald es draussen dunkel ist, befindet man sich dort auch in absoluter Dunkelheit, in der absoluten Finsternis. Nach kurzer Zeit setzt ein Gefühl von Beklemmung, Angst und Bedrohung ein. Es gibt keine Möglichkeit mehr, sich zu orientieren. Ich musste mich langsam Richtung Türe entlang der Wand vortasten, um den Raum wieder verlassen zu können. 

Die weltliche Allmacht Pharaos ist kurz davor, sich aufzulösen. Er bietet an, die Menschen ziehen zu lassen, nicht aber ihr Vieh. 

Moses erklärt, dass dies unmöglich ist, denn sie werden erst vor Ort erfahren, welche Tiere als Brandopfer von Gott gefordert werden. Pharao ist wütend, dass es ihm nicht gelingt, bei Moses seinen Willen durchzusetzen und jagt ihn fort. Sollte er ihn noch einmal sehen, so drohte er, würde er ihn töten. 

Doch das Ende der Sklavenzeit kommt immer näher. Gott kündigt noch eine letzte Plage an. Danach würde Pharao die Kinder Israel nicht nur ziehen lassen, sondern sogar fortjagen. In der Tora finden wir an dieser Stelle eine interessante Aussage

אַחֲרֵי-כֵן, יְשַׁלַּח אֶתְכֶם מִזֶּה:  כְּשַׁלְּחוֹ—כָּלָה

«Danach wird er euch fortschicken, wie eine Braut, die man fortjagt»(Ex 11:1). Die Trennung zwischen den Kindern Israel und dem ägyptischen Despoten wird so sein, wie die Trennung von einer ungeliebten Braut oder Ehefrau. Keine Gedanken wird Pharao mehr daran verschwenden, dass es die Vorfahren der jetzigen Kinder Israel sind, die vor vielen Jahren bei seinen Vorfahren freudige Aufnahme erfahren hatten. Dass Josef seinerzeit das ägyptische Volk vor den Folgen der Hungersnot bewahrt hatte. Dass ein Teil des Reichtums und der Macht, die er nun geniesst, auf ihren Einsatz zurückzuführen ist. Zu tief ist er verletzt, so wie ein Partner, der verlassen wird.

Sodann erklärte Gott, wie er die Plage über Ägypten kommen lassen würde. Um Mitternacht werde er selbst durch ganz Ägypten ziehen und jeder Erstgeborene, gleich aus welcher Familie, ob Mensch oder Tier, werde sterben. Die Kinder Israels aber würden verschont bleiben. 

Nun endlich war Pharao so weit, dass er die Kinder Israel nicht nur ziehen liess, sondern sie verjagte. Die Kinder Israel waren nun ebenfalls bereit, sich fluchtartig auf den Weg zu machen. Und auch die zweite Prophezeiung erfüllte sich, die Ägypter gaben ihnen, wie verlangt, Gold und Silber mit auf den Weg. Ganz freiwillig wird es nicht gewesen sein, denn es steht zu lesen: «Sie plünderten sie aus» (Ex 12:6).

So verliessen die Kinder Israel das Land ihrer Versklavung.

600.000 Menschen sollen es gewesen sein, die sich, 430 Jahre nachdem Israel mit seiner Familie und 70 Personen angekommen waren, nun auf den Weg machten. Dazu eine grosse Menge an Viehzeug. Die Zahl erscheint unglaublich gross, die logistische Herausforderung, diese Menschenmengen für 40 Jahre zu führen ist nicht erfüllbar. Aber es ist nicht wichtig, die genaue Zahl zu benennen. Wichtig ist, zu zeigen, dass sich die Kinder Israel von einem kleinen, bescheidenen Stamm tatsächlich zu dem grossen Volk entwickelt hat, wie Gott es den frühen Vorvätern versprochen hatte. 

Es ist Zeit, die Trennung zu beenden. Die Kinder Israel haben sich aus den Fesseln der Sklaverei befreien können, oder besser, sie wurden aus ihnen befreit. Es ist Zeit zu gehen, ohne sich umzudrehen. 

Und tief im Herzen ein Stück Dankbarkeit mitzunehmen. Ohne die Aufnahme bei den Ägyptern, die so dramatisch mit der Verschleppung Josefs begann, hätten auch sie die Hungerjahre nicht überlebt. 

Bis Israel, dann schon ein ebenbürtiger Staat, mit Ägypten eine neue  Beziehung eingehen wird können, wird es viele, viele Jahre dauern. 

Shabbat Shalom

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Wochenabschnitt: Wa’era, Shmot 6:2 – 9:35, 2. Buch

ב“ה

2./3. Schwat 5781    15./16. Januar 2021  

Schabbateingang in Jerusalem: (Kerzenzünden) 16:12

Schabbatausgang in Jerusalem:                              17:32

Der Titel des zweiten Buch Mose und auch dieses Wochenabschnittes heisst, «Schmot»,was soviel bedeutet wie «die Namen». Und so erfahren wir, wie gross die Nachkommenschaft in den vergangenen Jahrhunderten, seit Josef nach Ägypten verschleppt wurde, geworden ist. Aus den siebzig Menschen, die sich mit Israel und seiner Familie in Goschen ansiedelten, ist ein grosser Stamm geworden. 

Hier erfahren wir auch die Namen von Moses’ und Aarons’ Eltern: Amram und Yocheved, beide aus dem Stamm Levi, des dritten Sohnes von Israel und seiner ersten Frau Lea. Amram war ein Enkel Levis’, seine Frau Yocheved war eine Tochter Levis’, also seine Tante. Aus der talmudischen Literatur ist bekannt, dass sie gemeinsam mit ihrer Tochter Mirjam als Chef-Hebamme in Ägypten tätig war. Es liegt daher nahe, dass es sich bei diesem Mutter-Tochter Team um die zwei Hebammen handelt, die sich dem Befehl Pharaos widersetzt hatten und so die Kinder der Israeliten hatten überleben können. 

Im letzten Wochenabschnitt haben wir Moses mit seinem Bruder erlebt, wie sie sich auf Geheiss Gottes auf den Weg zu Pharao machte. Dort wollten sie erreichen, dass er sie freiwillig aus der Sklaverei in Ägypten ziehen lassen würde. Allerdings hatte Gott ihnen gesagt, dass das nicht ohne Probleme möglich sein würde, und seine tatkräftige Unterstützung zugesagt. Die Kinder Israel wurden unruhig und beschwerten sich heftig bei Moses, dass er nichts erreicht hatte. Wenn sich vor der geplanten Flucht so viele Probleme vor ihnen auftaten, dann wäre es doch vielleicht besser zu bleiben und sich zu fügen.

Wiederum spricht Gott direkt zu Moses. Er stellt sich erstmals mit seinem neuen Namen «HaShem» vor, was soviel heisst, wie «der Name». Den Vorvätern war er noch unter dem Namen «El-Shaddai» (der Allmächtige) erschienen. Er erinnert an den mit den Vorvätern geschlossenen Bund und das Versprechen, sie nach Kana’an zu führen. Er verspricht den Kindern Israel, sie als sein Volk anzunehmen und fortan ihr Gott zu sein. (Ex 6:7)

Kana’an bezeichnete er einerseits als «Land, in dem Milch und Honig fliesst», aber auch als das Land, in dem die Vorväter der Kinder Israel vor vielen Generationen als Fremde gelebt hatten. Im letzten Wochenabschnitt bezeichnet Gott das Land, das er ihnen versprochen hat, als «gutes und weites Land». (Ex 3:8) Das Land Ägypten, מִצְרַיִם wird im jüdischen Verständnis immer als das Land angesehen, in dem die Kinder Israel beengt lebten. Es wird auch tatsächlich oft als «beengtes Land» übersetzt. Beengt einerseits im Sinne einer räumlichen Beschränkung auf die Region Goshen, die ihnen als Siedlungsgebiet zugewiesen worden war, anderseits aber auch im Sinn einer zunehmenden Einschränkung durch die immer bedrückender werdende Sklavenarbeit. Die Prophezeiung, in ein «gutes und weites Land» geführt zu werden, beutetet also nicht nur die Erfüllung des Wunsches aus einem engen Land, sondern auch aus einer aufgezwungenen persönlichen Beschränkung entfliehen zu können. 

Dreimal nennt er seinen Namen «HaShem» und seinen Willen, sie aus der Sklaverei hinauszuführen. Und er kündigt nochmals Strafen für die Ägypter an. Moses, der als Sprachrohr Gottes auserwählt wurde, gibt dies weiter an die Kinder Israel. Er wird voller Enthusiasmus gewesen sein, voller Hoffnung, in Gott einen starken Verbündeten zu haben, der sein Volk retten wird. Ganz anders aber ihre Reaktion.

Sie litten so unter der schweren Arbeit, dass sie Moses nicht zuhörten. Menschen, die tagein, tagaus schwere Sklavenarbeiten verrichten müssen, leiden oft stärker unter der psychischen Belastung der Abhängigkeit und Erniedrigung als unter den physischen. Als Folge einer andauernden physischen Belastung kann diese sich durchaus auch als Depression manifestieren. Zeichen einer Depression können Antriebslosigkeit und Verlust der Lebensfreude sein. Das könnte erklären, warum sie sich nicht mitreissen liessen, sondern nur weiter jammerten. Sie haben sich offensichtlich mit ihrem Leid abgefunden. Sie haben nahezu aufgegeben. Sie lehnen es ab, mit diesem Führer, Moses, der in ihren Augen offensichtlich nichts fertigbrachte, zu kämpfen. 

Moses braucht dringend die Unterstützung Gottes, wenn er sein Volk irgendwie motivieren will, sich ihm anzuschliessen. Gott sagt ihm Folgendes: «Ich bin HaShem. Ich führe euch aus dem Frondienst für die Ägypter heraus und rette euch aus der Sklaverei. Ich erlöse euch mit hoch erhobenem Arm und durch ein gewaltiges Strafgericht über sie.

Ich nehme euch als mein Volk an und werde euer Gott sein. Und ihr sollt wissen, dass ich HaShem bin, euer Gott, der euch aus dem Frondienst in Ägypten herausführt.

Ich führe euch in das Land, das ich Abraham, Isaak und Jakob unter Eid versprochen habe (…).» (Ex 6:6-8)

Fünf Verben, die das Versprechen Gottes an die Kinder Israel bekräftigen. Aber vor dem letzten Versprechen, das das erste verstärkt, kommt ein Einschub, die conditio sine qua non: «Und ihr sollt wissen, dass ich HaShem bin, euer Gott, der euch aus dem Frondienst in Ägypten herausführt.» Nur dann, wenn die Kinder Israel diese Bedingung akzeptieren, und zwar ohne Wenn und Aber, nur dann wird Gott sein Versprechen einlösen. 

Auch an diese Szene erinnern wir uns am Seder Abend, wenn wir fünf Gläser Wein trinken. Nicht, um uns zu berauschen, sondern um und dieser Vorbedingung wieder bewusst zu werden. 

Moses beklagt sich zum zweiten Mal, dass man ihm nicht zuhört und führt das auf seinen Sprachfehler zurück. Gott beauftrag daraufhin noch mal Moses und seinen älteren Bruder Aaron zu Pharao zugehen. «Ich werde dich gegenüber Pharao zu Gott machen und dein Bruder Aaron soll dein Prophet sein. Du sollst alles sagen, was ich dir auftrage; dein Bruder Aaron soll es dem Pharao sagen und der Pharao muss die Israeliten aus seinem Land fortziehen lassen.» (Ex 7:2)Aber, er betont nochmals, dass es so einfach nicht funktionieren wird. Er wird nämlich, und das zeigt seine Absicht, Pharao taub machen für die Klagen der Israeliten, sodass es die angekündigten Strafen braucht, um das Ziel zu erreichen. 

Aaron musste als Erster antreten. Sein Stab, nicht der von seinem Bruder Moses, wurde, auf den Boden geworfen zu einem Krokodil. Auch die Zeichendeuter Pharaos warfen ihre Stäbe zu Boden und auch sie wurden zu Krokodil. Es wird meist von «Schlangen» gesprochen tatsächlich heisst es aber in Ex 7:9-10 תַנִּין und in Ex 7:12 תַנִּינִם, also «tanin/taninim» dem hebräischen Wort für Krokodil. Die Krokodile Aarons’ töteten die der Ägypter. Der Krokodilgott der Ägypter «Sobek» war zugleich der Herrscher des Nils, aber auch der Gott der Fruchtbarkeit. So betrachtet, ist dies ein direkter Angriff auf Pharao als weltlichen Repräsentanten der Götter aus dem Jenseits.

Wenn wir uns am ersten Abend des Pessachfestes beim Seder an die zehn Plagen erinnern, die Gott über Ägypten und den Pharao schickte, bevor er die Kinder Israel ziehen liess, finden wir in diesem Wochenabschnitt die ersten sieben: Blut – Frösche – Stechmücken -Ungeziefer – Viehseuche – Pocken und Hagel. Jede Haggadah (das Buch, das wir am Seder Abend lesen) zeigt deutliche Spuren der Rotweintropfen, die wir verspritzen, während wir die Plagen rezitieren.

Bei den ersten sechs Plagen verstärkten die Zeichendeuter Pharaos’ die Erscheinungen, indem sie ohne Erfolg versuchten, diese zu neutralisieren. Von den Pocken werden sie aber selber geschlagen. Eigentlich hätte das für Pharao das Zeichen sein müssen, aufzugeben und sich dem Gott der Israeliten zu beugen. Aber nein, er blieb stur und uneinsichtig. 

Pharao versuchte es mit einem Kompromissvorschlag. Aber Gott lässt nicht mit sich handeln. Zum Zeichen aber, dass er kein grausamer Gott ist, lässt er durch Moses die Empfehlung aussprechen, alle Menschen und Tiere, die sich noch auf dem Feld befanden, in die Sicherheit von Gebäuden zu bringen. Denn am kommenden Tag würde ein gewaltiger Hagelsturm alles vernichten, was sich nicht in Sicherheit befand. Gott hatte dafür gesorgt, dass spätblühende Pflanzen vom Unwetter verschont werden würden, so dass es Nahrung für die Ägypter geben würde.

Und so fielen alle Pflanzen, Tiere, Menschen dem Unwetter zu Opfer, die keinen Schutz gesucht hatten. Und wiederum wurde Goshen verschont. Pharao schien nun endgültig zu verstehen, dass er im Unrecht war und er flehte darum, das Unwetter enden zu lassen. 

Gott liess ihm durch Moses seine Bedingung stellen. Sobald die Kinder Israel die Stadt verlassen hätten, würde das Unwetter enden. Und natürlich geschah es auch so. 

Pharao änderte seine Meinung nochmals und zog seine Zusage zurück.

Shabbat Shalom

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Wochenabschnitt: Schmot, Exodus 1:1 – 6:1

ב“ה

24./25. Tevet 5781    8./9. Januar 2021  

Schabbateingang in Jerusalem: (Kerzenzünden) 16:12

Schabbatausgang in Jerusalem:                               17:32

Wir treffen im ersten Wochenabschnitt des zweiten Buches Mose, Exodus, auf die Nachkommen von Israel, Josef und dessen Brüdern. Israel war von seinen Söhnen in der Höhe Machpela beerdigt worden. Auch Josef hat von seinen Brüdern erbeten, nicht in Ägypten, sondern in der alten Heimat in Kana’an seine letzte Ruhe zu finden.

Bereits im ersten Satz des ersten Abschnitts steht eine bedeutsame Aussage, er beginnt mit den Worten: «Das sind die Namen der Kinder Israels.» בְּנֵי יִשְׂרָאֵל – b’nei Israel, so wird später das Volk Israel, das jüdische Volk genannt werden. Wir erleben, wie aus den einzelnen Stämmen, den Familien, ein einziges grosses Volk werden wird. 

Viele Jahre sind verflossen und alle Brüder Josefs sind verstorben. Aus den 70 Menschen, die einst nach Ägypten gekommen waren, war ein grosser Familienclan geworden. Die Prophezeiung, die Gott Abraham, Isak und Israel mehrfach gemacht hatte, hat sich erfüllt. Aber auch die erste Mitzwa, das erste Gebot, das wir im 1. Buch Mose gefunden haben: Seid fruchtbar und mehret euch.

Nach den glücklichen, erfolgreichen Jahren hat sich jedoch das Schicksal für die Israeliten gewendet.

Der neue Pharao muss sich schrecklich vor den Israeliten gefürchtet haben. Er sah, wie sie zahlreicher und zahlreicher wurden und wusste sich keinen Rat, als sie zu unterdrücken und mit Sklavenarbeit für seine Zwecke einzusetzen. 

Von den beiden ihm bekannten Hebammen Shifra und Pua verlangte er, alle männlich geborenen Kinder sofort zu töten, hingegen die weiblichen Kinder am Leben zu lassen. 

Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass die Hebammen gottesfürchtig waren und seine Befehle verweigerten. Ihre Aufgabe war es schliesslich, Leben zu erhalten und nicht zu töten. Diese zwei mutigen Frauen sind die ersten, die im neuen Buch Moses eine wichtige Rolle spielen. Die beiden sind stark genug, sich den Aufforderungen des Landesherrn und Despoten zu widersetzen. Und zwar in einer Art, dass er sie nicht sofort durchschauen konnte. 

So überlebten zunächst alle Kinder der Israeliten. Und der Familienclan wuchs ungehindert weiter. Pharao sah, dass seine Massnahmen nicht ausreichten, um die Israeliten loszuwerden und befahl nun, alle männlichen Kinder in den Nil zu werfen, so dass sie sterben würden. 

Ein Ehepaar aus dem Stamm Levi bekam einen Sohn. Die Mutter konnte ihn für einige Monate verstecken. Als dies nicht mehr möglich war, bastelte sie ein Binsenkörbchen und setzte es mit dem Baby im Nil aus. Nicht in der Absicht, das Kind zu töten, sondern im Gegenteil, um es zu retten. Die Schwester des Buben blieb in der Nähe, um zu schauen, wie es ihrem Bruder ergehen würden. Trotz ihrer jungen Jahre, sie war nur drei Jahre älter, zeigte sie Verantwortungsbewusstsein.

Damit haben wir zwei weitere mutige Frauen kennengelernt, die den Verlauf der Geschichte massgeblich beeinflussen. Yocheved, die Mutter Moses, deren Namen wir erst später erfahren und ihre Tochter Mirijam. Auch deren Namen erfahren wir erst viel später. Beide sind um das Wohlergehen des Kindes besorgt, nachdem seine Mutter es auf dem Nil ausgesetzt hat. 

Pharaos Tochter, deren Namen wir nicht kennen, kam, entdeckte das Kind und sah sofort, dass es sich um ein Kind der Israeliten handelte. Sie forderte die Schwester des Buben auf, sofort eine Amme zu rufen. Das Mädchen tat instinktiv das Richtige. Sie brachte ihre Mutter zur Tochter Pharaos. Von ihr erhielt Yocheved den Auftrag, das Kind, ihr eignes Kind zu stillen. Pharaos Tochter ist die fünfte mutige Frau, der wir in diesem Wochenabschnitt begegnen. Hätte sie nicht so beherzt gehandelt, obwohl sie wusste, ein Kind der Israeliten vor sich zu haben, wäre Moses Schicksal besiegelt gewesen. Im Gegensatz zu ihrem Bruder verfügt sie über einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und fühlt sich stark genug, sich dem Bruder zu widersetzen.

Als sie ihn abgestillt hatte, brachte Yocheved ihr Kind zurück in den Palast. Die Tochter Pharaos nahm ihn an kindes statt an und gab ihm den Namen Moses. Er wuchs gemeinsam mit seinen Geschwistern im Palast von Pharao auf.

Möglicherweise wurde aus dem Kind ein verwöhnter Jüngling, der Freude daran hatte, den Sklaven bei der Arbeit zuzuschauen und sich an ihrem Leid zu ergötzen. Als er aber sieht, wie ein ägyptischer Aufseher einen Israeliten misshandelte, bricht auf einmal etwas anderes in ihm durch. Nicht wissend, dass der Geschlagene ein Stammesbruder war, rächte ihn Moses, indem er den Ägypter erschlug. Natürlich war diese Reaktion weitaus übertrieben, aber das ist der erste Hinweis auf Moses’ Temperament, das wir später noch mehrfach erleben werden. Hier zeigt er sich noch zögerlich, denn er versichert sich erst, ob auch niemand da ist, um sein Tun zu beobachten. Aber es zeigt auch die innere, wenngleich auch unbewusste Verbundenheit Moses zu seiner Herkunftsfamilie. Später werden wir ihn ganz anders erleben, manchmal aufbrausend und manchmal vorschnell handelnd. Und meist ein kluger und zuverlässiger Anführer seines Volkes.

Pharao erfuhr von dem Vorfall und wollte Moses töten lassen, der daraufhin nach Midian floh. Dort trifft er seine zukünftige Frau Zippora, die Tochter des Oberpriesters Jitro. Als sie ihren ersten Sohn gebar, gab er ihm den Namen «Gershom». Die Namensgebung (Gast bin ich im fremden Land) zeigt, dass Moses sich in seiner neuen Heimat nicht richtig heimisch fühlte.

Als der alte Pharao starb, verschlechterte sich das Los der Israeliten, die Sklavenarbeit wurde immer schwerer. Da erinnerten sie sich des Gottes ihrer Stammväter und flehten ihn um Hilfe an. Sie wussten nicht, wie sie ihre Situation hätten verbessern können. Oder noch besser, wie es ihnen gelingen sollten, sich von diesem Joch zu befreien und aus Ägypten zu fliehen. Doch Gott schwieg zunächst.  

Eines Tages hatte Moses, der als Hirte unterwegs war, auf dem Berg Horeb, heute als Mosesberg auf der Halbinsel Sinai bekannt, seine erste Gottesbegegnung. In der Gestalt eines Engels sprach er ihn aus einem Dornbusch an. Dieser brannte, aber das Feuer verzehrte ihn nicht. Er brannte in sich und aus sich heraus, der Engel stand inmitten des Dornbusches und Gott sprach aus dem Dornbusch. Das Feuer manifestiert hier die Allmacht Gottes. Die absolute Fähigkeit sich in jeder Form zu zeigen, wie wir gleich sehen werden. 

«Moses, Moses!» rief er und Moses antwortete, «Hier bin ich!», «hineni!» Nach Abraham ist Moses der zweite Mensch, der von Gott angerufen wird und mit «hier bin ich» antwortet. Insgesamt finden wir 250 solche Stellen in der Tora. Immer dann, wenn die nachfolgende Situation eine ganz besondere ist. 

Gott gibt sich zu erkennen und Moses verhüllt sich aus Angst, Gott anschauen zu müssen. Dieser hatte die Klagen und Ängste der Israeliten sehr wohl gehört und verspricht, zu helfen. Aber zu seinen Bedingungen.

Moses erhält den klaren Auftrag, mit seiner Hilfe, an seiner statt die Israeliten aus der Sklaverei zu führen. Um dies vorzubereiten, schickt er ihn zu Pharao. Moses fühlt sich von dieser Aufgabe überfordert. Doch Gott beruhigt ihn und verspricht, bei ihm zu sein. Moses zweifelt, dass die Israeliten ihm so ohne  Weiteres glauben werden, wenn er mit dem Auftrag zu ihnen kommt. Und er erbittet von Gott einen Namen, den er ihnen mitteilen kann. Ein Gott ohne Namen ist ein diffuser Gott, keiner, der greifbar ist. Dieser antwortet ihm

אֶהְיֶה אֲשֶׁר אֶהְיֶה

eheye asher eheye – ich werde sein, der ich sein werde. Nur Gott ist der, der die absolute Freiheit hat, von sich zu sagen, der zu sein, der er ist, der er sein wird, der er sein will. Und er fährt fort: «Sage ihnenיְהוָה אֱלֹהֵי, der Gott eurer Väter Abraham, Isaak und Jacob schickt mich zu euch. Er hat gesehen, wie wir hier leiden. Er hat versprochen uns hinauszuführen in ein Land in dem Milch und Honig fliessen. Wenn sie dir zuhören, gehe mit drei Stammesältesten zu Pharao. Sagt ihm, der Gott der Israeliten ist uns begegnet. Lass uns drei Tagesmärsche von hier in die Wüste ziehen, um ihm ein Schlachtopfer zu bringen.» 

Pharao wird euch aber nur unter Androhung von Gewalt ziehen lassen. Wieso weiss Gott das? Pharao sieht sich als der starke Mann, der über das Schicksal der Israeliten bestimmten kann. Er ist der Macher, so sieht er sich in seinem Selbstbild. Tatsächlich bestimmt aber Gott seine Handlungen. Er ist das Werkzeug, um die Israeliten aus der Sklaverei zu befreien. Weil sie selber zu schwach dazu sind, braucht es Gewalt gegen Pharao, um den im Sinne Gottes handeln zu lassen und die Israeliten zu vertreiben. So betrachtet, ist Pharao alles andere als frei in seinem Tun. 

Moses verzweifelt immer mehr an der ihm gestellten Aufgabe und weist Gott auf seinen Sprachfehler hin. Doch es ist nicht die Stimme Moses’ die unvollständig ist. Noch ist sein Selbstkonzept, sein Selbstbild nicht so stark, dass er sich darauf blind verlassen könnte. In der Psychologie kennen wir das Konzept von «Me» und «I» des Soziologen James Mead. Vergleichbar dem «Über-Ich» und dem «Ich» bei Freud. Das starke «Über-Ich» wird geprägt und geformt von den Anforderungen, Zwängen und Normen, die dem «Ich» im Laufe des Lebens immer wieder Grenzen aufzeigen. Martin Buber, der grosse Religionsphilosoph, entwickelte das göttliche Prinzip des «ewigen Du». Moses ist noch am Beginn seiner Entwicklung, die Beziehung zu Gott, zum «ewigen Du» zu stabilisieren. Um das zu erreichen, bedarf es eines ausgeglichenen Ich/Über-Ich. Ein Kampf, den Moses, wie wir am Ende der Wüstenwanderung sehen werden, verliert. 

Aber auch das liess Gott nicht gelten, immerhin sei es nur er, der dem Menschen die Fähigkeit zu hören, zu sehen und zu sprechen gäbe. Gott wurde langsam ungeduldig. «Du hast doch deinen Bruder, den Leviten Aaron. Der ist unterwegs hierher zu dir. Leg ihm die Worte in den Mund, ich werde euer beider Mund sein und euch wissen lassen, was zu tun ist. Er wird für dich der Mund sein und du wirst für ihn Gott sein.» 

So zieht er mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen los. Nochmals fordert Gott ihn auf, alle Wunder, man könnte auch sagen Zaubertricks, die er ihn gelehrt hatte vor Pharao zu zeigen. Er wolle Pharao dazu bringen, die Israeliten nicht ziehen zu lassen. Das scheint unverständlich, kontraproduktiv zu sein. «Sag zu Pharao: Gott sagt, Israel ist mein erstgeborener Sohn, lass ihn ziehen, um mir zu opfern. Tust du es nicht, so werde ich deinen Erstgeborenen töten.»

Was folgt ist eine zunächst unverständliche Szene. Gott trifft unterwegs auf Moses und will ihn töten. Zippora aber nimmt einen Feuerstein und schneidet ihrem Sohn damit die Vorhaut ab, und berührte damit die Beine ihres Mannes. Sie erfüllt intuitiv damit eine weitere Mitzwa aus dem ersten Buch Moses. Als Mohelet fungiert sie als erste Frau, die eine Beschneidung durchführt und damit bei ihrem Sohn an den Bund erinnert, den Gott mit Abraham geschlossen hatte. Frauen als Mohelet? Ist das möglich? Offensichtlich ist die Mitzwa der Beschneidung am achten Lebenstag des Babys höher zu bewerten, als das Geschlecht der Person, die die Beschneidung durchführt. Steht kein Mohel zur Verfügung, so darf die Mitzwa auch von einer Frau ausgeführt werden. Heutzutage ist eine Mohelet meist Ärztin und Rabbinerin. Zippora ist die sechste Frau, die wir hier treffen und die massgeblich dazu beigetragen haben, dass sich die Geschichte der «Kinder Israels» weiter entwickeln konnte. 

Shabbat Shalom

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Wochenabschnitt: Wajechi, Bereshit 47:28 – 50:26

17./18. Tevet 5781    1./2. Januar 2021  

Schabbateingang in Jerusalem: (Kerzenzünden) 16:06

Schabbatausgang in Jerusalem:                               17:27

ב“ח

Am Ende des letzten Wochenabschnittes hatte Israel Pharao eine befremdliche Antwort auf die Frage nach seinem Alter gegeben: «Die Zahl der Jahre meiner Pilgerschaft beträgt hundertdreißig. Gering an Zahl und unglücklich waren meine Lebensjahre und sie reichen nicht heran an die Lebensjahre meiner Väter in den Tagen ihrer Pilgerschaft.» Der Anfang dieses Wochenabschnittes nimmt noch einmal Bezug darauf. «Jakob lebte noch siebzehn Jahre in Ägypten und die Tage Jakobs, seine Lebensjahre betrugen hundertsiebenundvierzig Jahre.»

Waren es gute oder schlechte 147 Jahre, die das Leben des Menschen Israel ausmachten? 

Seine Familie war gewachsen, jedes Familiendrama, jedes Unglück hatte eine gute Wendung erfahren. Es waren nur die «normalen» Schicksalsschläge, die er hatte verkraften müssen. Die, von denen die Gesellschaft erwartet, dass man nach einer angemessenen Trauerzeit wieder funktioniert. 

Das äussere Leben Israels darf als Erfolgsgeschichte gewertet werden.

Aber hat nicht jeder von uns zwei Leben? Ein äusseres, für jeden Aussenstehenden sichtbares und ein inneres, das nur wir selbst kennen? Und das wir so oft verleugnen, verdrängen?

Gibt es nicht immer Brüche in unserer Lebenslinie? Eine Enttäuschung, die man kaum verwinden kann? Den Verlust einer grossen Liebe? Das Nicht-Erfüllen von unausgesprochenen Träumen? Die Verletzung oder der Vertrauensbruch durch Menschen, die einem besonders nahestehen? Momente, nach denen nichts mehr so ist wie vorher. 

Israel hat viele derartige Erfahrungen gemacht. Die Erpressung seines Schwiegervaters Laban, bevor er seine innig geliebte Rachel heiraten durfte. Den Betrug in der Hochzeitsnacht, als er erkannte, dass nicht seine geliebte Braut neben ihm lag, sondern deren Schwester. Der Betrug seines erstgeborenen Sohnes Reuven mit seiner Nebenfrau Bilha. Der frühe Kindbetttod seiner geliebten Rachel? Die Vergewaltigung seiner einzigen Tochter Dina. Der scheinbare Tod seines geliebten Sohnes Josef … Dazu seine eigenen Missetaten an seinem Bruder und an seinem Vater.

Kurz vor seinem Tod verspürt Israel den Wunsch, sein Leben in Ehrlichkeit zu sich selber zu beenden.

Möglicherweise hatte er sich in Ägypten nie wirklich daheim gefühlt, wir wissen es nicht, aber wir können es vermuten. 

Deshalb nahm er seinem Sohn Josef den Schwur ab, ihn nicht in Ägypten zu beerdigen, sondern in der Höhle Machpela, wo schon seine Vorfahren ruhten. Er erinnert sich an den Kampf mit Gott in der Nacht, bevor er wieder auf seinen Bruder Esau traf. Seither war er durch einen Schlag auf die Hüfte gehbehindert. Das war die Nacht, in der er von Jakob zu Israel wurde. Mit dem Schwur, den er seinen Sohn Josef mit der Hand an der Hüfte leisten lässt, übergibt er ihm quasi die Verantwortung für den Clan. Aber er hat auch Angst, dass seine Söhne, die sich so umfassend und erfolgreich in Ägypten integriert haben, ihre Wurzeln vergessen und nie mehr nach Hause zurückkehren würden. Mit dem Schwur, den er Josef abverlangt, stellt er sicher, dass seine Familie einst nach Kana’an zurückkehren und die Prophezeiungen Gottes erfüllen würde. 

In einem letzten Gespräch erbittet er von Josef dessen beiden ältesten Söhne, Efraim und Menashe. Er stellt sie in der Familienhierarchie auf eine Stufe mit seinen eigenen ältesten Söhnen Reuven und Shimon. Er segnet seine Enkelsöhne, wobei ihm scheinbar ein Fehler unterläuft. Josef hatte seine Söhne so vor ihn gestellt, dass Efraim an seiner rechten Seite stand und Menashe an seiner linken. Damit wollte er sicherstellen, dass sein Vater mit seiner rechten Hand seinen erstgeborenen Menashe, segnen könnte. So sah es die Tradition vor. Doch Israel überkreuzte seine Hände, um den Erstgeborenen-Segen Efraim zu geben. Wir erinnern uns an den jungen Jakob, der sich mit einer List den Segen seines Vaters Isaak erschlichen hatte. Soll sich die Geschichte nun wiederholen? Zwar ist das Augenlicht Israels schon sehr geschwächt, aber es scheint, als würde er diese Entscheidung getroffen haben, ohne sehen zu können. Es ist die Hand Gottes, die seine Hand führt. Gott, auf den er blind vertraut und dessen Entscheidungen er nie mehr infrage stellen würde. 

Josef versucht, den Segen, der seinem Ältesten zusteht, für ihn zu retten. Aber sein Vater macht klar, dass er genau weiss, was er tut. Er betont es doppelt! «Ich weiß, mein Sohn, ich weiß», sagte er, «auch er wird zu einem Volk, auch er wird groß sein; aber sein jüngerer Bruder wird größer als er und seine Nachkommen werden zu einer Fülle von Völkern.Mit deinem Namen wird Israel segnen und sagen: Gott mache dich wie Efraim und Menashe.»

Ist dies der Hinweis darauf, dass erstmals in der Geschichte zwei Geschwister nicht miteinander konkurrieren werden? Sich nicht gegenseitig bekämpfen?

«Gott, vor dem meine Väter Abraham und Isaak ihren Weg gegangen sind, Gott, der mein Hirte war mein Lebtag bis heute, der Engel, der mich erlöst hat von jeglichem Unheil, er segne die Knaben. Weiterleben soll mein Name durch sie, auch der Name meiner Väter Abraham und Isaak. Im Land sollen sie sich tummeln, zahlreich wie die Fische im Wasser.»

Damit ist klargestellt, dass der jüngere der beiden Brüder, Efraim derjenige sein wird, der die Prophezeiungen Gottes erfüllen wird. Israel gibt dem Zweitgeborenen das Erstgeburtsrecht, das er sich als Zweitgeborener erschlichen hatte und dafür viele Jahre lang gebüsst hat.

Ein letztes Mal versammelt Israel seine Söhne um sich und verteilt sein «Erbe» unter sie. Und er geht hart mit ihnen ins Gericht, macht ihnen Vorwürfe, verflucht sie oder sagt ihnen Nichtigkeiten.

Nur Juda, Josef, Efraim und Menashe erhalten einen besonderen Segen. Segen in der Thora haben eine besondere Bedeutung, die manchmal weit über die eigentliche Generation hinausgeht. Sowohl «gute», als auch «problematische» Segen sind oft das letzte, was Kindern von ihren Eltern bleibt. Sie übernehmen unbewusst die ihnen dadurch zugeschriebenen Bedeutungen. Entsprechende Charakterzüge können durch den Segen verstärkt oder auch abgeschwächt werden. 

Israel verstarb und Josef erbat von Pharao die Gunst, das seinem Vater gegebene Versprechen zu erfüllen und ihn in der Höhe Machpela in der Nähe von Hebron zu beerdigen. Und so reiste, nach einer angemessenen Trauerzeit, der ganze Familienclan, begleitet von hochrangigen ägyptischen Beamten nach Kana’an und bettete ihn dort zur letzten Ruhe. 

Zurückgekehrt nach Ägypten verspüren die Brüder auf einmal Angst. Sie fürchten, dass Josef, der nun das Familienoberhaupt ist, seinen Zorn gegen sie richten könne. Seit dem Tod des Vaters gibt es keine schützende Hand mehr, die den berechtigten Zorn des Bruders von ihnen fernhält. Es ist eine Notlüge, als sie behaupten, der Vater hätte ihnen aufgetragen, ihm seinen letzten Wunsch zu übermitteln. Der sei gewesen, Josef möge seinen Brüdern verzeihen. Eine verzeihliche Lüge und so menschlich.

Doch Josef nimmt ihnen ihre Angst. Ein zweites Mal hält er fest, dass er nur das Werkzeug Gottes ist, aber nicht an dessen Stelle vor ihnen steht. Gott hätte sie ihre schändliche Tat ausführen lassen, um das Leben des Clans zu erhalten und den Stamm wachsen zu lassen und dadurch die mehrfach ausgesprochene Prophezeiung zu erfüllen.

Josef war es noch vergönnt, seine Enkel und sogar seine Urenkel kennenzulernen, bevor er verstarb. Er gab die Absichten und Pläne Gottes an seine Brüder weiter, der sie schützen und in das Land begleiten würde, dass er den Vorfahren versprochen habe. Josef wusste, es würde eine lange Reise sein, die den Brüdern bevorstand. Deshalb bat er sie, seine Gebeine in die nördliche Heimat mitzunehmen. 

 Shabbat Shalom

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Wochenabschnitt: Wajigash, Bereshit 44:18 – 47:27

ב“ח

11./12. Tevet 5781    25./26.Dezember 2020  

Schabbateingang in Jerusalem: (Kerzenzünden) 16:02

Schabbatausgang in Jerusalem:                              17:22

Nachdem der scheinbare Diebstahl eines Bechers durch Benjamin «aufgedeckt» wurde, kehren die Brüder beschämt zu Josef zurück. 

«Wajigasch», das Wort, mit dem dieser Wochenabschnitt beginnt, heisst: «Er trat näher» Juda trat an seinen Bruder Josef heran, den er immer noch als ägyptischen Vizekönig und damit als dem Pharao nahezu gleichgestellt wahrnimmt. 

Dieses Mal erzählt er die Geschichte seiner Familie ungeschminkt. Er erzählt von Josef, dem verlorenen Sohn und von Benjamin, der nun, da Josef tot zu sein scheint, der neue Liebling des Vaters ist. Der Widerstand des Vaters, ihnen Benjamin anzuvertrauen, sei gross gewesen. Immerhin sei ihm dieser Sohn erst im hohen Alter geboren worden. Seine Mutter sei bei der Geburt gestorben. Wenn sie nun ohne ihn nach Hause zurückkehren müssten, würde das den sicheren Tod des hochbetagten Vaters bedeuten. Er flehte Josef an, den Knaben frei zu lassen und stattdessen ihn als Sklaven zu behalten.

Hier wird das ganze Familiendrama, wenn auch teils unausgesprochen, erkennbar. Dramen, die sich bereits seit Generationen Schicht auf Schicht angehäuft haben. Dramen um Neid, Hass, Eifersucht, Gewalt, Intrigen und verdrängte Konflikte. Im Flehen, dem Vater doch diese letzte Pein zu ersparen, liegt das, was Juda in dem Moment wichtig ist. Lieber selber sterben zu wollen, als nochmals eine so grosse Liebe, wie die, die Israel für seine beiden Jüngsten und für ihre Mutter Rachel empfunden hat und immer noch empfindet, zu zerstören. 

Das ist der Augenblick, in dem Josef überwältigt wird. Er ist bereit, sich seinen Brüdern zu erkennen zu geben. Um in diesem sehr privaten, nahezu intimen Moment sich selbst zu schützen, aber auch seine Familie nicht fremden Augen preiszugeben, schickt er alle Fremden aus dem Raum. Er muss keine besondere Rolle als meistgeliebter Sohn mehr einnehmen, er darf endlich nur mehr eines sein: Ein Bruder! Juda hat den «Türöffner» gefunden. Er hat intuitiv die richtigen Worte gewählt, um das Herz Josefs zu erreichen. 

Ist das eine Versöhnung, die wir hier erleben? Ist es eine Ent-schuldigung von der Schuld, die die Brüder an Josef begangen haben? Diese ist nicht zu ent-schuldigen, die Spuren der Angst, der Unsicherheit, die Spuren der Hoffnungslosigkeit haben sich zu tief in Josefs Seele eingegraben. Eine Versöhnung ist es nicht. Aber dadurch, dass Juda das wohlgehütete Familiendrama nun endlich einmal verbalisiert hat, kann die Beziehung der Brüder auf eine neue Ebene gebracht werden. 

Gleiches haben wir vor wenigen Wochen erlebt, dass Israel, damals noch Jakov, nahezu angstzitternd auf seinen Bruder Esau traf, dem er so übel mitgespielt hatte. Auch hier waren es die richtigen Worte, die das Eis schmelzen liessen.

Josef nimmt ihnen ihre Angst. Statt sie zu beschuldigen, oder gar zu strafen, deutet er ihnen seinen Aufenthalt in Ägypten, den sie durch seinen Verkauf an die Händler provoziert hatten, als göttlichen Entschluss. Und er geht noch weiter. Gottes Plan sei gewesen, ihn quasi als Wegbereiter für sie handeln zu lassen. Er hätte mit allem, was er tat, ohne es zu wissen, die Basis zum Erhalt ihres Lebens gelegt.

Sie sollten heimkehren, dem Vater berichten und mit allem, was zu ihnen gehörte, zurückkehren. Als Siedlungsgebiet teilte er ihnen Goschen, eine Region zwischen dem Nildelta und dem heutigen Suezkanal zu. Während der weiteren Hungersnot würde er selber seine schützende Hand über sie halten.

Das Eis zwischen den Brüdern war gebrochen. Auch Pharao war mit dem Zuzug der Familie Josefs einverstanden. 

Mehr als das, er stellt ihnen Wagen und Lastentiere zur Verfügung und verspricht, sie mit dem Besten zu versorgen, was Ägypten zu bieten hat. Reich beschenkt und mit dem Rat, unterwegs nicht zu streiten, zogen die Brüder nach Kana’an zu ihrem Vater. Warum gibt Josef seinen Brüdern den Rat, nicht zu streiten? Er fürchtet wohl, dass alte Verhaltensmuster durchbrechen, wenn sie realisieren, dass er Benjamin weitaus mehr Geschenke gemacht hat als ihnen. 

Israel wollte und konnte zunächst nicht glauben, was er hörte. Sein Herz war noch zu sehr in Trauer und Sorge gefangen. Erst als er sah, wie reich beschenkt sie zurückgekommen waren, konnte er glauben. Und er beschloss sofort aufzubrechen, um vor seinem Tod noch einmal seinen jüngsten Sohn zu sehen.

Es ist eine grosse Familie, die sich auf den Weg macht. Insgesamt werden sich siebzig Personen aus dem Haus Israel in Ägypten aufhalten. Interessant ist es, dass hier auch Dina, die Tochter Leas erwähnt wird. Offensichtlich hat sie die ganze Zeit über bei ihrer Familie gelebt, (Ber. 46:15) ohne einer Erwähnung würdig gewesen zu sein. Nicht mitgezählt werden in dieser Auflistung die Ehefrauen der zwölf Söhne Israels.

Ganz der alte Patriarch lässt Israel seinen Sohn zu sich nach Goschen beordern. Er stellt damit die alte Familienhierarchie wieder her, macht dem Sohn klar, dass er immer noch der Clanchef ist. 

Als Josef seinen Vater wiedersieht, reagiert er genauso wie ein verlassenes Kind reagiert, das jetzt bei seinem Vater Schutz und Trost finden kann: Er fällt ihm um den Hals und weint. Mehr erfahren wir nicht über das Treffen. Haben die beiden sich ausgesprochen? Hat sich Josef mit seinem Übervater versöhnen können? Ob und wie die Vater-Sohn Geschichte ihren Ausgang findet, erfahren wir nicht. 

Israel trifft mit Pharao zusammen und begrüsst ihn mit einem Segensspruch. Auf die Frage nach seinem Alter gibt er eine befremdliche Antwort: «Die Zahl der Jahre meiner Pilgerschaft beträgt hundertdreißig. Gering an Zahl und unglücklich waren meine Lebensjahre und sie reichen nicht heran an die Lebensjahre meiner Väter in den Tagen ihrer Pilgerschaft.»Was will Israel damit sagen? Beklagt er sein Los, das ihm nur unglückliche Tage gebracht hat? Aber so, wie wir die Geschichte miterlebt haben, stimmt das doch nicht. Er hatte harte Jahre, ja, zugegeben, aber waren es wirklich nur unglückliche Jahre?

Auch die nachfolgenden Abschnitte scheinen zunächst befremdlich. Josef versorgt den ganzen Clan mit so viel Getreide, dass alle mehr als genug zum Essen haben. 

Dann aber zog er alle Geldmittel, die im Umlauf waren, von den Bürgern Ägyptens ein und lagerte sie im Palast von Pharao. Somit war des ihnen unmöglich, ihren Bedarf an Getreide auf regulärem Weg zu decken.

Die aufgebrachten Bürger wies er an, ihren gesamten Viehbestand zu bringen und ihnen dafür quasi als Tauschgeschäft Getreide zu verkaufen. Nach einem Jahr hatten die Menschen weder Geld noch Vieh, das sie eintauschen konnten. Sie boten ihm ihre Ländereien an, um an Getreide zu kommen. «Wir und unser Ackerland wollen dem Pharao dienstbar sein. Stell Saatgut zur Verfügung, so werden wir am Leben bleiben, wir müssen dann nicht sterben und das Ackerland braucht nicht zu verkommen.» 

Pharao war nun im Besitz allen Geldes, aller Felder und Ländereien. Das gesamte Volk war zu Leibeigenen des Herrschers geworden. Ausgenommen davon war nur die reiche und unabhängige Priesterkaste.

Für das Volk stellte er Saatgut zur Verfügung mit der Auflage, 1/5  des Ertrages an die Kasse von Pharao abzuliefern und 4/5 selber zu behalten. Davon konnten sie neues Saatgut kaufen und ihre Familien ernähren. Sie waren es zufrieden, weiterhin als Leibeigene des Herrschers zu leben. 

Shabbat Shalom!

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Wenn einer eine Reise tut …. dann muss er erst was lernen!

5. Tevet 5781

ב“ה

So oder ähnlich muss man die Worte unseres PM verstehen, der seine israelischen Mitbürger auf Reisen in die VAE meint vorzubereiten zu müssen. Ganz so, als wären wir ein Volk von Ignoranten, die sich nicht zu benehmen wüssten. 

Leider ist der Ruf der israelischen Touristen im Ausland und nota bene auch im Inland vorauseilt, katastrophal. Laut sind wir immer bemüht, an jeder Schlange die pool position mittels heftigem Ellebogeneinsatz zu erreichen. Umweltverschmutzer, die noch nichts von der segensreichen Erfindung des Abfalleimers gehört haben. Weder in den Städten, noch am Strand, noch an einem weit entfernten Punkt auf der Welt. Unsere Kinder sind laut und unerzogen. Und würden unsere Hunde, überwiegend Retriever, uns auf unseren Ferienreisen begleiten, so würden sie ungeniert ihre Hinterlassenschaften überall dort deponieren, wo garantiert ein nichts ahnender Passant hineintritt. Als Autofahrer stellen wir sowieso ein Risiko für das Leben anderer dar. Kurz, wir sind diejenigen, die sich absolut unmöglich benehmen. 

Ganz so ist es natürlich nicht. Unter unserem 9 Millionen Völkchen gibt es wahrscheinlich ebenso viele Nudniks wie in jedem anderen Land. Ebenso viele, oder ebenso wenige. Menschen, die andere solange nerven, bis diese entnervt aufgeben. Die anderen Löcher in den Bauch fragen, alles hinterfragen, alles infrage stellen. Der Nudnik ist das Gegenstück zum in der Eifel gebräuchlichen Leidsgeheier. Nicht böse, sondern einfach nur nervig.

Und genau vor diesem Verhalten hat unser PM wohl Angst. 

Der Schuh des Anstosses

Vielleicht musste er einsehen, dass die Auswahl eines «besonderen» Desserts, auf das er so stolz war, einen Affront darstellte. Im Jahr 2018 wollte er den japanischen PM Shinzo Abe wohl stark beeindrucken. Küchenchef Moshe Segev füllte dafür speziell designte Schuhe aus Metall mit Süssigkeiten. Der japanische PM und seine Ehefrau machten gute Miene zum bösen Spiel. Schuhe gelten in der japanischen Kultur als abstossend, sie werden nie, unter keinen Umständen in eine Wohnung hineingenommen! Mitglieder der japanischen Delegation fühlten sich beleidigt. Ein nicht genannter israelischer Diplomat betonte, dass Aussenministerium sei vom Menu nicht informiert gewesen. Die Entscheidung sei nicht nur «unsensibel und dumm» gewesen, es wäre so, «… als würde man einem jüdischen Gast Schokolade in einem Gefäß in Form eines Schweins servieren.»

Sicher in unauslöschlicher Erinnerung sind die diversen Fettnäpfchen, in die die israelische «First Lady» Sarah im Laufe der Jahre trat. 

Im August 2019 reiste sie zwar in einem Hosenanzug in den ukrainischen Nationalfarben Hellblau und Gelb an, um den Land Respekt zu erweisen. Bei der Ankunft auf dem Flughafen verliess sie jedoch jedes diplomatische Gespür. Das als Willkommensgeschenk angebotene Brot warf sie auf den Boden. Eine grobe Unhöflichkeit und Beleidigung. Bereits auf dem Flug nach Kiev machte sich Sarah unbeliebt. Sie fühlte sich in der Wichtigkeit ihrer Person vom Kapitän des Flugzeuges zu wenig geehrt. Er hatte es verabsäumt, sie eigens namentlich zu begrüssen. Um sich zu beschweren, wollte sie gewaltsam in das abgesicherte Cockpit eindringen, wurde aber von den Flugbegleitern daran gehindert. 

Im Dezember desselben Jahres besuchte das Ehepaar Netanyahu Portugal. Neben zwei kurzen offiziellen Treffen stand vor allem ein ausgiebiger Bummel durch die Stadt und ein Restaurantbesuch auf dem Plan. Bei einem kurzen Fotostopp zeigten beiden wenig Taktgefühl. PM Netanyahu lehnte sich leger an das Denkmal für die Opfer des Massakers an Juden von 1506 und checkte seine Mails im Handy. Seine Frau beantwortete den Journalisten die Frage, welche «Inquisition» schlimmer sei, die ihres Mannes durch die Medien oder die der Juden im Mittelalter. Eine seltsame Frage, fürwahr! Aber die Antwort war noch seltsamer: “Oh, das hat was, ich weise die Frage nicht ab. Ich bin glücklich zu hören, dass Sie verstehen, dass all dies wirklich eine Inquisition für uns ist!»

Um dem einfachen Volk zu helfen, gar nicht erst in peinliche Situationen zu geraten, wurde also eine Broschüreerarbeitet. Im ersten Kapitel werden politische Aspekte der VAE vorgestellt, der zweite Teil beschäftigt sich mit soziokulturellen Fragen. Kulturell-geschäftliche Schwerpunkte und Verhaltensregeln zeigt das dritte Kapitel auf, während der nächste Teil sich mit den Merkmalen des Tourismus in den Golfstaaten beschäftigt. Ein eigenes Kapitel ist der Bedeutung Jerusalems gewidmet. 

Hier werden nur die wesentlichen Vorschläge aufgeführt, die man in verschiedenen Situationen unbedingt vermeiden soll. 

  • Allgemeine Regeln
  1. Selbst, wenn es die Lage am persischen Golf nahelegt, die VAE identifizieren sich selber ausschliesslich als «Arabische Golfstaaten». Damit wird die arabische Vormachtstellung gegenüber dem Erzfeind Iran ausgedrückt.
  2. Über politische Beziehungen, insbesondere über die zu den USA sollte nicht gesprochen werden. Dieses Thema ist ausschliesslich der Regierung vorbehalten.
  3. Trotz der neuen Verträge besteht noch ein Grundmisstrauen gegenüber Israel. Über palästinensische Themen sollte nicht gesprochen werden. 
  4.  Überhaupt müssen Themen über Politik, insbesondere über die Vorzüge von demokratischen Regierungsformen unbedingt ausgeklammert werden. Die VAE sind kein demokratischer Staat.
  5. Jede Infragestellung der Legitimität und jede Kritik am Königshaus ist strengstens verboten!
  6. Politische Parteien sind in den VAE nicht vorhanden. Die Bürger identifizieren sich nicht über politische Ausrichtungen, sondern über ihre Stämme und über familiäre Bindungen.
  7. Ausländische Arbeitnehmer unterschiedlichster Nationalitäten werden nie Kommentare über ihre Behandlung durch Regierungsstellen abgeben. Entsprechende Gespräche sollten nicht provoziert werden. 
  8. Frauen werden im beruflichen und/oder gesellschaftliche Umfeld oft als Beweis angeführt, wie liberal die Gesellschaft der arabischen Golfstaaten mit dem Thema «Empowerment of women» umgeht. Der Begriff «Feminismus» hingegen ist verpönt und negativ besetzt. 
  9. Themen rund um die LGBT Problematik sind unerwünscht und werden in der Regel nicht toleriert.
  10. Jede Art von Diskussion über den Islam ist zu vermeiden. Die Religion darf nicht infrage gestellt werden. 
  • Verhalten mit Verhandlungspartnern
  1. Jeder Gesprächspartner, vor allem im wirtschaftlichen Umfeld repräsentiert immer die gesamte Gruppe, der er angehört. Er wird daher sehr sensibel auf Unstimmigkeiten, Beleidigungen und Kritiken reagieren, die daher nie nur ihn, sondern alle Gruppenmitglieder betreffen.
  2. Kritische Themen wie: Frauen, Geld, Kultur, Religion und/oder Politik bei Geschäftsverhandlungen unbedingt vermeiden. 
  3. Üblicherweise steht hinter dem einen, mit dem verhandelt wird, virtuell seine ganze Gruppe. Von daher sind ihm in Verhandlungen oft die Hände gebunden.
  4. Win-Lose Situationen wirken abschreckend. Besser muss versucht werden, eine gemeinsame, von allen ohne Gesichtsverlust zu akzeptierende Lösung zu finden.
  5. Verhandlungen dauern lange, niemals Entscheidungen über das Knie brechen.
  6. Geschäftliche Treffen oder gar Verhandlungen während des Fastenmonats Ramadan nur in äusserst dringenden Fällen anberaumen.
  7. Werden Gastgeschenke ausgetauscht, so werden diese nie unaufgefordert sofort geöffnet. Geschenke müssen angenommen werden, ein Ablehnen stellt eine grobe Beleidigung dar.
  8. Von Businessfrauen wird erwartet, dass sie sich an die kulturell-traditionell-religiösen Vorschriften halten. Der klassische Hosenanzug, der auch die Fussknöchel bedeckt, ist jedem Kostüm vorzuziehen. Geschlossene Pumps statt offener Sandalen oder High Heels sowie zu Röcken nicht transparente Strumpfhosen sind auch bei hohen Temperaturen angebracht.
  9. Auch wenn eine Geschäftsführerin die direkte Ansprechpartnerin ist, so werden die Ergebnisse von Verhandlungen nie von ihr präsentiert. Dies wird immer einem Mann überlassen. Gleiches wird auch von ausländischen Geschäftspartnern erwartet.
  10. In Europa und den USA beliebte zustimmende Geste «Daumen hoch» wird von ältere Emiratis als beleidigend interpretiert.
  11. Das Berühren des Kopfes ist ein absolutes no-go!
  12. Zynismus, Wörter mit doppelter Bedeutung oder ein starker Dialekt werden abgelehnt.
  • Für alle geltende Regeln
  1. Schreien und Fluchen auf der Strasse hat auf jeden Fall zu unterbleiben
  2. Freizeitkleidung ausserhalb des Hotelareals oder ausserhalb des Strands gilt als unhöflich. Für die Herren gilt «smart casual», also deutlich eine Stufe über dem Freizeitlook, für die Damen Kleidungsstücke, die nicht allzu viel nackte Haut zeigen. Spaghettiträger und ultrakurze Shorts dürfen es nicht sein!
  3. Die so beliebten T-Shirts mit Bildern oder Schriftzügen dürfen nie in einen Zusammenhang mit Religion gebracht werden können und selbstverständlich dürfen sie auch keine anstössigen Bilder zeigen.
  4. Auffallende Tattoos sollten unter der Kleidung verborgen werden. 
  5. Tänze in der Öffentlichkeit werden nicht gerne gesehen.
  6. Veröffentlichungen in den sozialen Medien dürfen keinen Anlass zur Kritik bieten.
  7. Gleichgeschlechtliche Gäste sollten im Hotel nie ein Zimmer mit Kingsize Bett buchen, sondern entweder getrennte Betten oder noch besser zwei Zimmer verlangen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um Lebenspartner, Freunde oder gar Verwandte handelt!
  8. Gleichgeschlechtliche Paare sollten in der Öffentlichkeit jede vertraute Geste vermeiden!
  9. Das Trinken von Alkohol in der Öffentlichkeit ist verboten. Das Führen von Fahrzeugen nach Alkoholgenuss stellt eine schwere Gesetzesübertretung dar und wird hart bestraft. 
  10. Gleiches gilt für den Konsum von Drogen. 
  11. Die Mitnahme von pornografischen Printmedien oder Filmen, sowie deren Verbreitung gilt als schwerwiegende Straftat. 

Jene Touristenmengen, man sprach von etwa 10.000 Reisenden, die sich während der Chanukka Ferien aus Israel auf den Weg in die VAE gemacht haben, werden oft für Aufsehen gesorgt haben. Aber eben, Unwissenheit schützt nicht vor Strafe!

Die Bilder, die man vom Flughafen Ben Gurion sah, zeigten ganz normale Touristen. Menschen jeden Alters, jeder Gesellschaftsschicht, man sah orthodoxe Reisende, Männer, Frauen, Jugendliche, Kinder. 

Ziemlich sicher werden sie diesen Katalog an Verhaltensregeln nicht vor der Reise gelesen haben. 

Ob ein Land, in dem man soviel verkehrt machen kann, wirklich die neue touristische und wirtschaftliche Destination für einen Durchschnittsisraeli ist, stelle ich infrage. Klar, alle wollen sich ihre Scheibe abschneiden von der neue Traumregion.

Bisher haben sich bereits viele Unternehmer aus den USA und aus Europa in der Golfregion angesiedelt. Ganz ohne Gängelband, ganz ohne den erhobenen «Na, na, na!» Zeigefinger. 

Fazit: Bibi kehre erst mal vor deiner eigenen Türe und lerne gutes Benehmen im Umgang mit anderen Kulturen. 

© esther scheiner, israel

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Wochenabschnitt: Mikez, Bereshit 41:1 – 44:17

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3./4. Tevet 5781    18./19.Dezember 2020  

Schabbateingang in Jerusalem: (Kerzenzünden) 15:58

Schabbatausgang in Jerusalem:                               17:18

Mit dem heutigen Schabbat, einen Tag nach Ende des Chanukka Festes, kommt das Licht langsam wieder zurück zu uns. Gegenüber der vergangenen Woche ist der Schabbat um vier Minuten länger geworden, auch wenn der astronomisch kürzeste Tag erst am kommenden Montag sein wird. 

Nach einer Zeit relativen Glücks im Haushalt des Potiphar trifft Josef, der unschuldig im Gefängnis sitzt, auf zwei Beamte aus dem Hofstaat des Pharaos und deutet ihnen ihre Träume, die ihr Schicksal besiegeln. Es sind einfache Träume, leicht zu verstehen. Der Mundschenk, den er bat, sich nach seiner Freilassung für ihn bei Pharao zu verwenden, vergass ihn aber sehr schnell.

Trotzdem beginnt auch für Josef mit diesem Wochenabschnitt eine neue Zeit. 

Nachdem er zwei weitere lange Jahre im Gefängnis hatte verbringen müssen, erinnert sich der Mundschenk an das vor seiner Entlassung an das Josef gegebene Versprechen, nachdem der Pharao durch zwei Träume sehr beunruhigt ist.

Zum dritten Mal hat ein Traumpaar eine besondere Bedeutung für Josef. Erinnern wir uns, zuerst waren es die beiden Träume, die er als junger Mann hatte und die dazu geführt hatten, dass seine Brüder ihn zunächst umbringen wollten und ihn stattdessen verkauften.

Und nun sind es zwei Träume des Pharaos selber, die ihm keiner seiner Traumdeuter deuten kann oder deuten will. Pharao lässt Josef holen und fordert ihn auf, ihm eine Deutung der für ihn verwirrenden Träume zu geben. Und wieder weist Josef drauf hin, dass nicht er diese Aufgabe erfüllen kann, sondern dass nur Gott über diese Fähigkeit verfügt und er nur dessen Werkzeug ist. 

Josef erkennt, dass dies ein Traum in zwei Versionen ist, die beide die gleiche Bedeutung haben. Zuerst sieben gute Jahre im Überfluss und daran anschliessend sieben Jahre Elend und Hunger. So hat es Gott für Ägypten vorgesehen, so wird es sein. Daran besteht für Josef kein Zweifel. Träume galten in der Torah auch als direkte Verbindung des Träumenden zu Gott. In ihnen offenbart sich sein Plan und Wille. Der doppelt geträumte Traum Pharaos verstärkt diese göttliche «Willenserklärung», die nicht abgewendet werden kann. Gott lässt fast nie mit sich handeln!

Aber er gibt dem Pharao durch Josef auch eine Möglichkeit an die Hand, wie er die ärgsten Folgen der Hungersnot mildern kann. Er solle so handeln wie ein guter Familienvater und überall im Land Vorratslager anlegen und durch einen guten Logistikfachmann überwachen lassen.

Pharao erkennt, dass Josef der richtige Mann für diese Aufgabe ist und ernennt ihn zum Vizekönig. Alle anderen müssen seinen Weisungen unbedingte Folge leisten. Damit endet für Josef die dunkle Zeit in seinem Leben und er wird zum, heute würde man sagen, Superman Ägyptens. 

Allerdings hat er sich so weit von seinen Wurzeln entfernt, dass er sogar den neuen Namen Zafenat-Paneach annimmt und seine Muttersprache zu Gunsten der Landessprache aufgibt. Aus Josef dem Kana’aniter ist Josef der Ägypter geworden. Aber tief in seinem Herzen ist er doch ein gottestreuer Hebräer geblieben.

Sechs Jahre später wurde er Vater zweier Söhne: Menasche und Efraim. 

Warum er in dieser Zeit nie die Reise in den Norden unternahm um seine Familie, oder zumindest seinen Vater zu treffen, erfahren wir nicht. Hat er sein Kindheitstrauma endgültig überwunden, oder hat er sich durch die völlige Assimilation in Ägypten eine eigene Parallelwelt aufgebaut? Menasche, der Name, den er seinem älteren Sohn gibt, bedeutet «er macht es vergessen». Was hat er durch seinen Sohn vergessen? Seine Heimat? Seine Wurzeln? Seine Familie, vor allem aber seinen Vater? Oder hat ihn seine neue Stellung, seine eigene Familie von seinem Trauma geheilt?

Wie von Gott geplant, begannen die sieben schreckliche Jahre mit einer grossen Hungersnot. Doch Gott hatte Josef vorausplanend handeln lassen. Und so gab es nicht nur genug Getreide für das ganze Land. 

Die Hungersnot wütete auch in den umliegenden Staaten, sodass immer mehr Menschen herbeieilten, um einzukaufen.

Israel, dessen Clan ebenfalls unter dem Hunger litt, schickte zehn seiner Söhne nach Süden, um dort ihren Bedarf zu decken. Nur Benjamin behielt er bei sich, er hatte Angst, dass seinem Nesthäkchen unterwegs etwas zustossen könnte. 

Josef erkannte seine Brüder sofort, die sich vor ihm auf den Boden warfen, gab sich ihnen aber nicht zu erkennen. Damit ist der erste seiner Träume, in dem er sie als Korngarben träumte, die sich vor ihm beugten, Wahrheit geworden. 

Doch so einfach lässt Josef seine Brüder, die ihn vor Jahren wie etwas Wertloses weggeworfen hatten, nicht davonkommen. Der Stachel der damaligen Verletzung sitzt tief. Zwar ist Josef kein Mensch, der blindwütige Rache übt und sie ohne Getreide fortjagt. Aber er lässt sie zappeln, packt sie bei ihrer Ehre. Er wirft ihnen vor, nicht nur einfache Händler, sondern Spione zu sein, die die Schwachstelle in der ägyptischen Verteidigung ausspionieren wollten. 

Sie erniedrigen sich in ihrer Verzweiflung erneut vor ihm. Ursprünglich, so erzählen sie ihm auf seine Frage hin, seien sie zwölf Söhne eines Vaters gewesen, der jüngste sei bei ihm zu Hause geblieben und ein Sohn sei bereits verstorben. Der Vater selbst wäre zwar alt, aber noch gesund und rüstig.

Josef, der sich durch einen Dolmetscher vertreten liess, obwohl er ihre Sprache perfekt beherrscht, weint, als er ihre Worte hört. Mitlleid? Dankbarkeit, weil er entdeckt, dass sie doch menschliche Gefühle haben? Seine Gefühle ihnen gegenüber, betrachtet man sie angesichts der Tatsache, dass er sich nie die Mühe gemacht hat, zu seiner Familie zu reisen, bleiben unklar. Immerhin war er doch der Lieblingssohn seines Vaters und musste wissen, dass es ihm unendlich viel bedeuten würde, ihn, den scheinbar verlorenen Sohn gesund und sogar erfolgreich vor sich zu sehen. Hat er aber seinen Vater genauso geliebt, wie dieser ihn geliebt hat? Kann es vielleicht sein, dass ihn die Liebe seines Vaters erdrückt hat und er in Wirklichkeit gar nicht so unfroh darüber war, ihm ausweichen zu können?

Josef fordert sie auf, den jüngsten Bruder herbeizuschaffen oder zu sterben. Nach drei Tagen Haft ändert er jedoch seinen Plan für sie. Er lässt alle ziehen. Nur einer, Simon, soll als Pfand im Kerker zurückbleiben. Er gibt ihnen das Getreide, das sie gekauft haben und verbirgt das Kaufgeld in ihren Säcken. Dann gibt er ihnen Verpflegung mit und lässt sie ziehen.

Einer der Brüder entdeckt das Geld und ist verzagt. Die Brüder, vor allem aber Reuven, befürchten, dass sich nun ihre Untat an Josef rächen wird. Oder ist es gar nachträgliches, unbestimmtes Schamgefühl, dass den ältesten der Brüder befällt?

Er versteht nicht, warum der scheinbar fremde Beamte so gehandelt hat und sieht darin eine ihm unverständliche Tat Gottes. Womit er ja nicht so weit weg von der Wahrheit ist, denn jedes Handeln Josefs ist von Gott beeinflusst. 

Auch Israel, dem sie zu Hause ihre Erlebnisse in Ägypten schildern, bekommt Angst.

Aus ihm spricht die pure Verzweiflung. Einen Sohn glaubt er verloren zu haben, ein zweiter sitzt im Gefängnis in Ägypten und nun soll ihm auch noch sein jüngster Sohn Benjamin genommen werden. Er klagt seine Söhne an, ihm seine Söhne nach und nach zu nehmen.

Reuven, der älteste, wurde nicht im Zusammenhang mit den Morden von Sichem genannt und war der, der sich als Einziger gegen die Ermordung Josefs ausgesprochen hatte. Wenngleich auch er ein moralisches Vergehen gegen seinen Vater Israel begangenen hatte, als er mit dessen Nebenfrau Bilha ein Verhältnis begann, scheint er doch der moralisch gefestigtste der Söhne Israels zu sein. 

Er schlägt seinem Vater vor, persönlich für die Sicherheit Benjamins zu garantieren. Gleichzeitig bietet er seinem Vater an, er können seine beiden Söhne töten, wenn Benjamin unter seinem Schutz ein Leid geschehen würde. Aber Israel blieb hart.

Doch der Hunger nagt bald wieder am Familienclan, so dass Israel seinen Widerstand aufgibt. 

Allerdings weigert er sich nach wie vor, Benjamin mit auf die Reise zu schicken und hinterfragt, was dazu geführt hat, dass der Fremde so harsch reagiert hat. Er bekommt keine Antwort. Die Brüder kenne sie nicht, sie sind sich keiner Schuld bewusst, ausser der, die sie vor vielen Jahren an Josef begangen haben. 

Schliesslich gibt der Vater seine Zustimmung. Aber um nicht als Bittsteller dazustehen und schon gar nicht als Betrüger, stellt er Bedingungen: Die Brüder müssen das Geld zurückgeben und auch die neue Ware ordnungsgemäss bezahlen. Und sie müssen Geschenke mitnehmen, darunter wertvolle Harze und beliebte Früchte.

Juda, jener Bruder, der sich ebenfalls gegen die Ermordung Josefs ausgesprochen hatte, verspricht Israel, sich für die Sicherheit Benjamins zu verbürgen und stellt sich selber als Pfand zur Verfügung.

Nachdem sie wieder bei Josef angekommen sind, der sich ihnen immer noch nicht zu erkennen gibt, lässt dieser für sie ein Festmahl in seinem Haus zubereiten. Sie fürchten sich immer noch, weil sie glauben, ihnen sei mit dem Geld eine Falle gestellt worden. Josef nimmt ihnen diese Angst und sagt, dass das Geld, das sie in den Säcken vorgefunden hatten, ein Geschenk Gottes an sie gewesen sei. Gott hatte offensichtlich seine schützende Hand nicht von ihnen abgezogen und ihnen verziehen. Auch er hat ihnen verziehen und hält sein Versprechen. Simon wird aus dem Gefängnis zu ihnen gebracht.

Noch zweimal neigen sich die Brüder vor ihm, unterwerfen sich ihm damit völlig. Als er seinen jüngeren Bruder Benjamin sieht, übermannt ihn die Rührung und er segnet ihn.

Am kommenden Tag liess Josef ihre Säcke füllen und jedem das Geld, das er wiederum nicht annahm, dazu legen. Im Sack von Benjamin aber liess er zusätzlich einen Silberbecher verstecken. Wollte er sie nochmals auf die Probe stellen?

Er lässt seinen Hausverwalter hinter ihnen her reiten und sie stoppen. Er soll ihnen vorwerfen, den Becher, aus dem Josef trank und weissagte, gestohlen zu haben. In diesem Fall wäre es ein übler Dank für all das Gute, das er ihnen hatte angedeihen lassen. Josef hatte offenbar einen genauen Plan, den er aber noch nicht enthüllt. 

Die Brüder öffnen arglos ihre Säcke und finden zuoberst das Geld. Ihre Aussage ist schlüssig: «Warum sollten wir ihm das Geld, das wir irrtümlich wiedererhalten hatten, bringen und ihm dann einen Becher stehlen?» Sie fühlen sich sehr sicher und wiederum keiner Schuld bewusst. Deshalb fordern sie, dass der, der diesen Diebstahl begangen hätte, sterben solle. Sie selbst wollten in dem Fall als Sklaven in Ägypten bleiben. Heim zum Vater hätten sie sich wohl nicht mehr zu gehen getraut.

Die systematische Durchsuchung ergab, dass Benjamin der scheinbare Übeltäter gewesen war. So kehrten sie diesmal als völlig zu Unrecht geschlagene Männer in das Haus Josefs zurück. Wieder ergreift Juda das Wort. Er ist überzeugt, dass es Gottes Wille war, den Becher im Sack des Jüngsten zu finden. Er kann sich nicht erklären, wie er dort hingekommen war. 

Aber er steht zu seinem Wort, ist schon überzeugt, dass sie nun alle als Sklaven enden werden und, dass das Lebens Benjamins nichts mehr wert ist.

Josef zeigt Milde und lehnt das Angebot ab. Nur Benjamin soll als Sklave bei ihm bleiben, die anderen sollen ungehindert zu ihrem Vater zurückkehren. 

Ähnlich wie sein eigener Vater, der erst in der Fremde zu einem verantwortungsvollen Mann heranreifte, hat auch Josef in seiner Zeit in Ägypten eine enorme Wandlung vollzogen. 

Daheim war er der naive, vielleicht auch arrogante und verwöhnte Knabe, der bei seinen Brüdern hasserfüllten Neid auslöste. Sein Leben in Ägypten, in dem ihn Gott immer wieder mit sich selbst konfrontierte, als er im Gefängnis war, alleingelassen mit der Dunkelheit und der Angst, verloren zu sein, brachte ihn aber auch zu grosser Macht und Ehre. Mit der er durchaus verantwortungsvoll umgehen kann. Josef ist am Ende dieses Wochenabschnittes zu einem gottesfürchtigen Mann herangereift.

Shabbat shalom!

© esther scheiner, israel

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Wird das «Bruttonationalglück» nun auch in Israel als wichtiger Index eingeführt?

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Glückliche Menschen – das Königspaar von Bhutan

Gerade weil dieser Index so schwer zu messen ist, soll er in Zukunft in Israel der Massstab aller Dinge für die Zufriedenheit der Bevölkerung mit der Regierung sein. Die wesentlichste Kennzahl soll das persönliche Glück und die persönliche Zufriedenheit der aktuellen Regierungsspitze mit den erreichten Leistungen sein. Was für das Tierreich gilt, gilt auch für die Menschen. Der König von Bhutan hat diesen Index als Standard für das messbare Glück seiner Untertanen eingeführt.

Je mehr sie ihr ur(art)eigenes Verhalten ausleben können, desto glücklicher sind sie. Es liegt in der Natur der Politiker, sich während ihrer Amtszeit mit möglichst vielen Lorbeeren zu schmücken, die ihnen auch nach ihrem politischen Ende einen Platz in der Geschichte sichern sollen. 

So gesehen muss die israelische Regierung derzeit eine sehr glückliche sein!

Israels PM sammelt, angetrieben von kaum behrrschbarem Aktivismus, weltweit neue Partner für die Aufnahme «vollständiger diplomatischer Beziehungen“. 

Die als «Abraham Abkommen» hochgelobten Vereinbarungen zwischen Israel und den VAE und Bahrain, später auch mit dem Sudan, wurden von PM Netanyahu und Präs. Trump, vor allem aber auch von dessen Adlatus und Schwiegersohn Kushner als «Durchbruch» und Neuzeichnung der politischen Weltkarte hochgelobt. Man nannte sie gar «Friedensverträge», obwohl es nie einen Tag Krieg zwischen den neuen Partnerländern gegeben hatte. 

Welche Absicht steht hinter diesen Verträgen? Bei den VAE sind es klar militärisch-strategische Absichten. Der Iran bedroht nicht nur Israel, sondern auch die VAE. Mit den Verträgen versichern sich die Emirate der israelischen Unterstützung im Angriffsfall und massiver Waffenlieferungen von den USA. Ob das auch vice versa gilt? Der Preis, den Israel für diese Eventualität gezahlt hat, war recht hoch, nämlich die Aufgabe der militärischen Vormachtstellung im Luftraum. Was der Trumpf in Trumps Plan war, wird zumindest kontrovers im Senat diskutiert. In Israel stiess der Deal ebenfalls sehr übel auf. War er doch von PM Netanyahu ohne Absprache mit der IDF Führung und dem Verteidigungsminister abgenickt worden. Wie immer in Israel, ohne Mitwirkung der israelischen Bürger.

Aber auch Handel und Dienstleistungsanbieter stehen bereit, um am zu erwartenden Profit teilzuhaben. Ob dieser Plan aufgeht? In den Emiraten gibt es doch fast nichts, was es nicht schon gibt. Braucht es dafür unbedingt noch israelische Geschäftsleute? Zumindest als Touristen werden die Emirate gut an den Israelis verdienen. Mehr als 10.000 Touristenmachten sich in den vergangenen Tagen auf den Weg, um die Chanukka Feiertage dort zu verbringen. 

Und dass Scheich Hamad bin Chalifa al-Nahjan 50 % des als rassistisch bekannten Fussballclubs «Beitar Jerusalem» kaufte und dort in den kommenden Jahren 76 Millionen Euro investieren will, wie soll man das einordnen? Als Spleen eines Mannes, der schon alles hat? Als Teil seines Weltbildes von weitangelegter Wohltätigkeit? 

Völlig unklar ist noch, welche Nutzen Israel ziehen wird, wirtschaftlich, politisch, kulturell, militärisch … Kaum vorstellbar, dass die Emiratis als Touristen Israel fluten werden. Ihre Hotels sind allemal grösser, prächtiger und – ja, leider auch – sauberer. Wer bestimmt finanziellen Nutzen ziehen wird ist die Trump Inc.

Und wie schaut es aus mit der win-win Situation zwischen Israel und Bahrain? Wirtschafts- und Tourismusminister Zayed bin Rashid Al Zayani brachte es bei seinem Antrittsbesuch auf den Punkt: «Sie werden in uns einen echten Partner, einen echten Investor und einen offenen Freund finden. Wir glauben, dass es eine echte Chance gibt, den Tourismus zwischen unseren beiden Ländern und darüber hinaus zu entwickeln. Und wir laden Sie ein und begrüßen Sie, Bahrain als Sprungbrett für den Rest der Welt zu nutzen und freuen uns darauf, Israel als Sprungbrett für den Rest der Welt zu nutzen.» Jüdische Bahrainis leben dort sehr sicher. Die Botschafterin von Bahrain in den USA ist eine Jüdin.

Und der Sudan? Worin liegt hier der messbare Nutzen? Für den Sudan liegt das auf der Hand. Im Gegenzug zur erfolgten Unterschrift strichen die USA das Land von der Liste der Staaten, die den Terror aktiv fördern. Damit stehen einem der ärmsten Länder weltweit internationale Finanzhilfen offen. Ob das Land sie nutzen wird, muss sich erst beweisen. Zu unsicher ist die politische Situation, um Vorhersagen treffen zu können. Und Israel? Vielleicht erhofft es sich mehr Sicherheit für die Region um das Rote Meer. Mit einem zuverlässigen Partner könnte es möglich sein, den Waffenschmuggel nach Gaza, der oft seinen Weg über den Sudan nahm, einzubremsen. Es wäre wirklich ein grosser Erfolg, wenn die Hamas in Gaza auf einen Lieferkanal verzichten müsste. Und um das nicht aus den Augen zu verlieren, auch für die etwa 4.000 illegalen Flüchtlingen könnte sich eine Möglichkeit ergeben, wieder in ihre Heimat zurückzukehren. 

Saudi-Arabien sträubt sich noch in den Kreis aufgenommen zu werden, stellt Bedingungen. Vor allem die, dass es zuerst Frieden zwischen Israel und den Palästinensern geben muss, bevor sie eine Annäherung überdenken. Die letzte Aussage von Prinz Turki al-Faisal, in der er Israel beschuldigte, KZ ähnliche Gefängnisse für palästinensische Gefangene zu unterhalten, beendet hoffentlich jede weitere Verhandlung bereits im Keim. Dass er sich auch der redundanten Unterstellung Israel des Landraubes, willkürlicher Morde und ungebremster Kolonialisierung bediente, fällt dagegen schon fast nicht mehr ins Gewicht. 

Das Abkommen zwischen Israel und Marokko hat, historisch gesehen, eine ganz andere Qualität. Zwischen beiden Staaten bestanden schon seit Jahrzehnten enge Beziehungen. Neben einem ausgeprägten Handel, der immerhin um die US$ 30 Millionen einbringt, legt das marokkanische Königshaus grossen Wert auf die Pflege des jüdischen Kulturgutes. In der Regierung gibt es jüdische Berater, und die marokkanisch-jüdische Geschichte ist Teil des obligatorischen Curriculums. Juden, die im Zuge der Staatsgründung Israels ihr Heimatland verlassen hatten, und ihre Nachkommen können schon seit einiger Zeit wieder einen marokkanischen Pass beantragen.

König Mohammed VI gilt als der reichste Mann Afrikas, aber auch als der liberalste Herrscher der arabischen Staaten. Während seiner bisher 21-jährigen Regierungszeit hat er das Land geöffnet und modernisiert. Und trotzdem ist das Land noch weit entfernt davon, als hochentwickelter Staat zu gelten. Der noch amtierenden Präs. Trump hat zugesagt, die Wirtschaft mit US$ 3 Milliarden zu unterstützen. 

Im Gegenzug für die Ratifizierung des Abkommens hat er die Besatzung der Westsahara durch Marokko anerkannt. Eine einsame Entscheidung, die weltweit und auch innerhalb seiner eigenen Partei auf heftige Kritik stösst. Ihm ist das gleichgültig, seine Amtszeit ist bald vorbei und dann, so mag er denken, sollen sich andere mit den Scherben, die er hinterlässt, auseinandersetzen. Auch hier wird die Trump Inc. In der nahen Zukunft gute Geschäfte tätigen.

Und nun, seit gestern, gibt es einen weiteren «Partner», Bhutan. Diesmal ausgehandelt zwischen indischen und bhutanischen Diplomaten. Unterschrieben wurde die Vereinbarung vom israelischen und dem bhutanischen Botschafter in Indien. Der kleine Himalaja-Staat unterhält derzeit nur mit 54 Staaten diplomatische Beziehungen. Worin nun genau der gegenseitige Nutzen bestehen wird, ist derzeit noch völlig unklar. Aber irgendwo muss er verborgen ein. Denn es gab, wie mittlerweile bekannt wurde, in den vergangenen Jahren immer wieder diplomatische Gespräche. 

Vielleicht, und das wäre mehr als wünschenswert für unser derzeit politisch, wirtschaftlich und gesundheitlich krisengeschütteltes Land, ist es ja der «Bruttonationalglücks-Index», er uns bald zur Verfügung steht. 

So könnten dann alle Israels teilhaben an dem, was unser PM offensichtlich schon für sich entdeckt hat!

© esther scheiner, israel

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Wochenabschnitt: Wajeschew, Bereshit 37:1 – 40:23

ב“ה

25./26.Kislev 5781    11./12.Dezember 2020  – 2. Abend von Chanukka

Schabbateingang in Jerusalem: (Kerzenzünden) 15:56

Schabbatausgang in Jerusalem:                              17:16

Man könnte diesen Wochenabschnitt mit der Überschrift «Alles nur Schein» betiteln.

Wir treffen Israel mit seiner Familie in Kanaan, wo er sich, so wie sein Grossvater Abraham niedergelassen hatte. Israel könnte sich eigentlich unter seinen Feigenbaum und neben seinen Weinstock setzen, um sein Leben als Patriarch zu geniessen. Wenn da nur nicht die nächste Generation wäre, die für Spannung sorgt.

Israels Lieblingsfrau Rachel ist bereits verstorben, wie wir in der vergangenen Woche gelesen haben. Ob Lea, seine erste Frau noch lebt, erfahren wir hier nicht. Über ihren Tod lesen wir erst in drei Wochen. Offensichtlich spielt sie keine Rolle im sich nun anbahnenden nächsten Akt von Bruderneid, versuchter Tötung, Täuschung und Lügengespinsten. 

Wie so oft im tatsächlichen Leben ist ein Kind das, das von den Eltern oder von einem Elternteil bevorzugt wird. Israel liebte Josef, den zweitjüngsten seiner zwölf Söhne ganz besonders. So sehr, dass er ihm, für damalige Zeiten selten, einen Umhang aus gestreiftem Stoff schenkte. (In der heutigen Literatur wird er oft als mehrfarbig beschrieben.) 

In seinen Brüdern gärte der Neid. Neid darauf, dass der Vater ihn mehr liebte als sie. Neid darauf, dass er noch so jung war. Oder darauf, dass er, wie wir später erfahren, ein sehr gut aussehender, charmanter junger Mann war? Vielleicht auch darauf, dass er einen so schönen Umhang hatte, während sie sich mit ihren einfachen Kleidern begnügen müssten. Bestimmt auch auf seine Fähigkeit, Träume deuten zu können. Träume sind unverstellt und geben viel von der Person des Träumers bekannt. Sie nennen ihn auch «בַּעַל הַחֲלֹמוֹת» (37:19) Herr der Träume. 

Josef war entweder grenzenlos naiv, oder er ist sich seiner besonderen Stellung bewusst gewesen. Warum sonst hätte er ihnen zwei Träume erzählen und sich damit verletzbar machen sollen? In den Träumen gibt er sein Innerstes preis, stellt sich quasi über sie. Er träumt sich selber als unbeugsame Getreidegarbe zwischen elf sich vor ihm verbeugenden

Garben. Und, um es noch schlimmer zu machen, träumte er, dass sich Sonne und Mond (seine Eltern Rachel und Israel), sowie elf Sterne (seine Brüder) vor ihm verneigten. Das konnte nicht ohne Folgen bleiben. Träume kommen tief aus dem Unbewussten und frei von den Einschränkungen, die tagsüber unser Tun beherrschen. In den Träumen findet das Wunschdenken oft seine Erfüllung. Josef träumt, wie wir später erfahren werden, hier von seiner Zukunft. 

Doch bis es so weit ist, ist Josef noch einigen Gefahren ausgesetzt. 

Scheinbar spielt Israel dem Schicksal in die Hände, als er Josef zu den Brüdern schickt. Diese entdecken ihn frühzeitig und fassen einen mörderischen Plan, dem sich Reuven, der erste Sohn Leas und damit der älteste der Brüder widersetzt. Man solle ihn doch einfach in einen Brunnen werfen, seinen geliebten Umhang mit dem Blut eines Tieres tränken und dem Vater gegenüber behaupten, ein wildes Tier habe ihn zerfleischt. Wenn sie den Umhang quasi als Beweis für Josefs Tod zerfetzt und blutig dem Vater brächten, dann würde sich die Liebe des Vaters wieder ihnen zuwenden. 

Hier mischt sich Gott, der andere Pläne mit Josef hat, in das Geschehen ein. Nachdem sich ein weiterer Bruder, Jehuda, gegen den Mord ausgesprochen hatte, 

verkaufen sie Josef kurzerhand an eine vorbeiziehende Karawane, die ihn in Ägypten auf dem Sklavenmarkt an Potiphar, einem hohen Beamten am Hof des Pharos, verkauft. 

Nachdem die Brüder mit dem blutbefleckten Umhang zu ihrem Vater zurückgekehrt sind, zerreisst sich dieser, wie zuvor schon Reuven, seine Kleider zum Zeichen der Trauer. Die äussere Hülle, der Umhang ist zerstört. Er hat keine Bedeutung mehr. Aber der scheinbar tote Josef, der geliebte Mensch, bleibt in der Erinnerung. Für Israel versinkt die Welt in tiefer Trauer um seinen geliebten Sohn. Sein Leben verliert seinen Sinn.

Josefs Schicksal in Ägypten scheint sich zum Guten zu wandeln. Ihm gelingt alles, was er tut. Schnell kann er sich das Vertrauen Potiphars erarbeiten. Schon bald steigt er, gestützt durch die Gunst Gottes zum Verwalter dieses einflussreichen Mannes auf. Es gelingt ihm, den Besitz Potiphars zu vermehren, sodass dieser ihm schliesslich völlig freie Hand gibt. 

Doch die Versuchung nähert sich in Person von dessen Gattin. Sie bedrängt ihn, mit ihr ein Verhältnis anzufangen. Josef bleibt stark, auch dann, als sie sich einer gewaltsamen List bedient und ihn so energisch an seiner Kleidung festhielt, dass er unbekleidet davonlaufen musste. Nun hatte sie den «Beweis» in der Hand, um Josef bei Potiphar und seinem gesamten Hausstand anzuschwärzen. Potiphar glaubt seiner Frau, ohne Josef zu befragen. Er glaubt seiner Frau, weil er ihr glauben will. Und auch, weil er nun in Josef auf einmal nicht mehr den hochgeachteten Mitarbeiter sieht, sondern nur mehr den Sklaven. Er fällt dem Schein anheim, reduziert Josef auf das, was er in ihm sehen will.

Josef wird ins Gefängnis geworfen. 

Doch wieder wendet sich sein Schicksal zum Guten. Gott beeinflusst den Aufseher, ihm zu trauen. Bald hatte er erneut einen wichtigen Posten und wurde zu dessen rechter Hand. Als der Mundschenk und der Bäcker des Pharaos sich gegen ihren Herrn versündigten, wurden auch sie eingekerkert und der Betreuung durch Josef unterstellt.

Beide Gefangenen haben während ihrer Haftzeit Träume, die Josef, nach dem Hinweis, dass das Traumdeuten die Sache Gottes sei, ihnen deutete. Er erkennt sich in dieser Situation als der, der Gottes Auftrag ausführen darf, und nimmt die Aufgabe, ohne zu zögern an. Ohne Rücksicht darauf zu nehmen, welche Folgen dies für ihn und die zwei Gefangenen haben wird. 

Dem Mundschenk deutet er, dass er bald wieder in seine Position eingesetzt werden wird. Er bittet ihn, Pharao von seiner Deutung zu berichten und hofft, so ebenfalls das Gefängnis verlassen zu können.

Dem Bäcker hingegen muss er mitteilen, dass er für seine Taten gehängt werden wird. 

Und so geschah es. Drei Tage später liess der Pharao beide vorladen und urteilte so, wie Josef es gedeutet hatte. 

Der Mundschenk aber vergass, sich für Josef zu verwenden. Josef muss im Gefängnis bleiben.

Wir lesen noch einen zweiten, unvermuteten Erzählstrang, die Geschichte von Jehuda. Es gibt keinen Hinweis im Text, aber vielleicht verübeln die Brüder es ihm, dass Josef «nur» verkauft wurde. Vielleicht hätten sie ja den üblen Scherz mit ihrem Bruder auch beendet, wenn Jehuda nur energisch genug darauf gedrungen hätte, ihn heimzubringen. Aber, das ist nicht geschehen und Jehuda hat seine Familie verlassen. Jehuda ist noch nicht gewillt, Verantwortung für sein infames Handeln zu übernehmen. Er muss erst reifen an seiner Geschichte, um seiner für ihn von Gott vorgesehenen Stellung gerecht werden zu können. Zunächst macht er alle Fehler, die man nur machen kann. Menschen sind für ihn nichts als Objekte. Sein Bruder Josef, seine Schwiegertochter Tamar und letztlich auch seine Söhne. Er reduziert sie auf das, was er sieht, ohne sich die Mühe zu machen, ihr wahres Ich kennenzulernen. 

Er heiratet und zeugt drei Söhne, Er, Onan und Shela. Seinen Erstgeborenen verheiratet er mit Tamar. Dieser verstirbt jedoch, ohne Kinder zu hinterlassen. Daher fordert Jehuda, dass Onan seine Schwägerin heiratet und mit ihr Kinder zeugt, um die Erbfolge für Er zu erhalten. Eine damals absolut akzeptierte Vorgangsweise. Onan aber ist ungehorsam und «liess seinen Samen zur Erde fallen und dort verderben». (37:9) Dafür bestraft ihn Gott mit dem Tod. Nun müsste der jüngste Sohn, Shela, mit Tamar verheiratet werden. Er ist aber noch zu jung und bis zu seiner Volljährigkeit muss Tamar als Witwe leben. Tatsächlich fürchtet Jehuda, auch den dritten seiner Söhne zu verlieren und schickt Tamar zurück ins Haus ihres Vaters. Jehudas Ehefrau stirbt und er zieht nach Süden. 

Tamar wendet eine List an, um nun Jehuda für sich gewinnen. Immerhin hatte sie gesehen, dass der ihr versprochene Shela erwachsen geworden war und Jehuda sich nicht an sein Versprechen, ihn ihr zum Ehemann zu geben, gehalten hatte. Als Dirne verkleidet wartet sie auf ihn. Die List gelingt, sie wird von ihm schwanger. Sie verlangt als Pfand für die Bezahlung sein Rollsiegel und seinen Stab. Eindeutige Identifikationsmöglichkeiten, so wie heute eine Identitätskarte. Als er seine Pfandstücke auslösen will, ist Tamar, die angebliche Dirne, unauffindbar. Sie hatte lange schon die Scharade aufgegeben und lebte wieder als Witwe.

Monate später erfährt Jehuda, dass sie schwanger ist. Er verlangt nun, dass seine, mittlerweile als seine Schwiegertochter identifizierte Frau, die den Ruf der Familie geschändet hat, getötet wird. 

Er verurteilt sie, statt sie anzuhören. Auch er fällt auf den äusseren Schein herein und begeht grosses Unrecht an ihr. Doch Tamar kann mit den Pfandstücken kurz vor ihrer Hinrichtung ihre Unschuld beweisen. Jehuda muss das anerkennen, verstösst sie aber aus seinem Umfeld. Interessant ist hier (38:26), dass die hebräische Version

וַיַּכֵּר יְהוּדָה, וַיֹּאמֶר צָדְקָה מִמֶּנִּי, כִּי-עַל-כֵּן לֹא-נְתַתִּיהָ, לְשֵׁלָה בְנִי

in der Regel übersetzt wird «sie ist gerechter als ich, weil ich sie nicht meinem Sohn Shelah gegeben habe.»

Onkelos übersetzte die Thora ins Aramäische und interpretierte den Vers in einer verständlicheren Sprache «Sie ist im Recht, sie ist von mir schwanger.» und wird damit seinem Ruf, die Thora auf der «einfachen Ebene» zu lesen und zu verstehen, gerecht. 

Tamar schenkt Zwillingen das Leben, die sie Perez und Search nannte. Mit dem Ende des Wochenabschnitts beginnt die Wandlung des Jehuda vom charakterschwachen jungen Mann zu einem reifen Erwachsenen, der in der Lage sein wird, die ihm von Gott vorgesehene Position einzunehmen.

Shabbat Shalom

© esther scheiner, israel

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