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Wochenabschnitt: Wajischlach, Bereshit 32:4 – 36:43

18./19. Kislev 5781 – 4./5. Dezember 2020

Schabbateingang Jerusalem (Kerzenzünden) 15:55

Schabbatausgang Jerusalem                              17:14

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Jeder Absatz dieses Wochenabschnittes schildert ein Familiendrama. Die Dramen der Vergangenheit, die sich, sieht man vom Mord Kains an Abel ab, eher auf der verbalen und emotionalen Ebene abspielten, werden nun durch teils brachiale Gewalt abgelöst. Jakob vertritt die dritte Generation nach Abraham, seine Kinder und Kindeskinder legen den Grundstein für das von Gott prophezeite grosse Volk. 

Der Weg dahin ist durch Gewalt innerhalb der Familie, aber auch von aussen geprägt.

In der vergangenen Woche haben wir Jakob und seine Grossfamilie während seines Aufenthaltes in Haran begleitet. Nach zwanzig Jahren in den Zelten seines Onkels Laban kehrt er nun nach Hause zurück. Aus dem unreifen jungen Mann, der allein und arm ankam, ist in der Zwischenzeit ein wohlhabender Mann geworden. Aus dem Single wurde ein Vater von 11 Söhnen und einer Tochter, von zwei Ehefrauen und zwei «Nebenfrauen».

Offensichtlich fühlt sich Jakob jetzt als gereifter und selbstbewusster Mann in der Lage, sich mit seinem Bruder Esau, vor dem einst geflohen war, zu treffen und mit ihm zu versöhnen. Aber er ist sich nach wie vor unsicher, wie Esau sich ihm gegenüber verhalten wird. 

Esau kommt ihm in Begleitung von 400 Männern entgegen. Jakob wird angst und bange. Seine schlimmsten Befürchtungen scheinen sich zu bewahrheiten. Um nach einem Angriff nicht alles zu verlieren, teilt er sein Hab und Gut auf zwei Lager auf. So hofft er, wenigstens eines der zwei Lager retten zu können. 

Jakob fleht Gott an, sich doch des ihm gemachten Versprechens zu erinnern und zu verhindern, dass seiner Familie und ihm Schaden zugefügt wird. 

In der Hoffnung, seinen Bruder zu besänftigen, lässt er ihm grosszügig zusammengestellte Herden durch Knechte entgegenführen. 

Jakob bringt seine Familie und seinen Besitz über den Jabbok Fluss und kehrt allein an das andere Ufer zurück. Dort kämpft er während der gesamten Nacht bis zum Morgengrauen mit einem Mann. Der Kampf endet unentschieden. Zuletzt schlug der Unbekannte derart heftig auf Jakobs Hüfte, dass sie sich ausrenkte, er wollte den Kampf offensichtlich mit dem anbrechenden morgen beenden. Jakob liess aber nicht ab von ihm und verlangte, von ihm zuvor gesegnet zu werden. 

Eine seltsam anmutende Forderung. Hat Jakob gespürt, dass es Gott war, mit dem er gekämpft hatte? Noch seltsamer ist die Reaktion des Fremden. «Nicht mehr Jakob wird man dich nennen, sondern Israel (Gottesstreiter); denn mit Gott und Menschen hast du gestritten und hast gewonnen.» Statt Israel seinen Namen zu sagen, segnete er ihn und verschwand. Das Wort «mit» könnte einen Hinweis darauf geben, dass Jakob den Angreifer kannte und  sie einander ebenbürtig zumindest an physischer Kraft waren. Kämpft man «miteinander», legt man neue Positionen fest, es muss keinen Sieger geben. Kämpft man aber «gegeneinander», so muss es einen Sieger und einen Verlierer geben.

Hat der Kampf tatsächlich stattgefunden, oder ist er das Symbol für einen inneren Kampf, den Jakob mit sich ausfocht? Ist es der Versuch, in einem nächtlichen virtuellen Kampf einen Gegner zu besiegen? Sei der Gegner nun er selbst, oder Esau. Immerhin fürchtet er sich sehr vor dem Treffen mit seinem Bruder, dem er einen grossen Schaden zugefügt hatte. Oder war der Kampf einer, den er mit Gott hatte? Tags zuvor hatte er sich bitter beklagt, dass er sich von ihm verlassen fühle. Der Kampf endet, wie so viele unserer Albträume mit dem anbrechenden Morgen und der Helligkeit. Israel kann das Dunkel der Nacht, aber auch das Dunkel in sich selbst hinter sich lassen und in eine helle Zukunft schauen. Israel ist Sieger und Verlierer zugleich, er hat einen Segen erhalten, einen neuen Namen, den bald darauf ein ganzes Volk tragen wird, aber auch eine andauernde Gehbehinderung, die ihn immer an seine Stellung Gott gegenüber erinnern wird. 

Gleich im Anschluss an den Kampf treffen Esau und Israel aufeinander. Immer noch hat Israel die grössten Bedenken, wie sich ihr Verhältnis zueinander gestalten wird. Während er die Kinder und Frauen schützen lässt, wirft er sich siebenmal vor ihm nieder. Wieder einmal die Zahl sieben als Zeichen der Vollendung. Es scheint, als wolle er sich seinem Bruder demütig und reuevoll völlig unterwerfen. Nicht nur er, auch seine Frauen, Kinder und Knechte unterwerfen sich ihm. Doch Esau nimmt ihn liebevoll wieder in sein Leben. 

Israel kehrte nach Kanaan zurück und siedelte dort in Sichem, Hebräisch Sh‘chem, heute Nablus.

Hier entwickelt sich eine dramatische Geschichte um Dina, die einzige Tochter Israels. Sie ist wohl mittlerweile ein junger Teenager, langweilt sich mit ihren Brüdern und beginnt, sich den Töchtern des Landes anzuschliessen. Dina, sehr selbstbewusst, stellt eine erotische Herausforderung an die jungen Männer und insbesondere an den Fürstensohn Sichem dar. 

Er vergewaltigte Dina und erst dann anschliessend, verliebte er sich in sie. Er bittet seinen Vater an seiner statt um ihre Hand bei Israel zu bitten. 

Erst wenn alle Männer beschnitten sind, so wird Hamor aufgeklärt, könnten Bindungen zwischen den Völkern eingegangen werden. Sichem und sein Vater Hamor scheinen die Forderungen Israels zu verstehen und stimmen zu der Beschneidung zu. Hamor und Sichem besprachen sich mit ihren eigenen Männern. Und so geschah es, dass schliesslich alle Männer aus Sichem der Bedingung Folge leisteten.

Während die Männer noch ihrer Heilung entgegenfieberten, wurden sie von Simon und Levi, zwei Brüdern Dinas, überfallen. Sie ermordeten alles Männliche in der Stadt, töteten auch Hamor und Sichem. Anschliessend befreiten sie Dina und verliessen die Stadt. 

Zeigen die Brüder oder gar der Vater Mitleid mit der geschändeten Dina? Mit keinem Wort. Im Gegenteil, Israel ist nur bedacht auf den guten Ruf der Familie und auch die Brüder fühlen sich in ihrer Ehre angegriffen. Israel wendet sich zornig an Simon und Levi. Er wirft ihnen vor, den guten Ruf seiner Familie völlig ruiniert zu haben und fürchtet, dass sie nun ihrerseits zu Opfern von Racheakten werden könnten. Besonders fürchtet er, dass Gott ihm den Segen entziehen und seine Versprechungen nicht wahr machen könnte. Die Vergewaltigung seiner einzigen Tochter ist ihm kein Wort wert. Kein Mitleid, keine liebevolle Zuwendung.

Das weitere Leben Dinas versinkt in der Dunkelheit. Meine Lieblingsperson in der Torah wird aus dem gesamten weiteren Geschehen herausgenommen. Dina, die vierte Generation der Stammmütter nach Sarah, Rebekka, Lea und Rachel, wird es versagt, diese Position einzunehmen. Während ihre Ahninnen nach mehr oder langer Zeit der Kinderlosigkeit schwanger wurden und damit ihre gesellschaftliche Aufgabe erfüllten, bleibt ihr die Möglichkeit, im Familienverband Kinder zu gebären, versperrt. Dina darf nicht Stammmutter werden, sie wird aus allen Erzählungen der Torah verbannt. Gewalt an Frauen wurde damals ebenso wie heute zu wenig thematisiert. Im Midrasch jedoch, ist Dina nicht vergessen. Wer mehr über sie lesen möchte, findet hier einen interessanten Kommentar.

Die Torah erzählt nicht, wie die Geschichte weitergeht. Sie bricht hier einfach ab. 

Offensichtlich hat sich Gott nicht abgewandt von Israel, denn er fordert ihn auf weiterzuziehen und ihm, der ihm auf seiner Flucht vor Esau erschienen ist, einen Altar zu bauen.

Israel beschliesst, nun endgültig mit den fremden Götzen zu brechen und verlangt von Familie und Nachbarn die Herausgabe von allen Götter Figuren und vergrub sie unter einer Eiche in Sichem. Auch seine Frau muss wohl ihre dem Vater gestohlenen Götzenbilder herausrücken. 

Israel konnte seine Familie und allen die dabei waren, ungehindert  an den Ort bringen, an dem sich Gott ihm zu Beginn der Flucht im Traum mit der Leiter – wir haben davon vor zwei Wochen gelesen – offenbart hatte. Dort baute er, wie von Gott gefordert, einen Altar.

Gott erscheint Israel nochmals und wiederholt seinen Segen und die Namensänderung von Jakob auf Israel ebenso wie auch seine Prophezeiung. 

Nur kurze Zeit nach dem Aufbruch aus Beth El in der Nähe des heutigen Bethlehems fühlte Rachel, dass ihre letzte Geburt bevorstand. Bevor sie starb, gab sie ihrem Sohn den Namen Benjamin, i.e., Sohn der Rechten. Das Grab vonRachel, der letzten Stammmutter, liegt nicht wie das der anderen Stammväter und -mütter in der Höhe Machpela in Hebron, sondern an der Strasse zwischen Jerusalem und Bethlehem. 

Am letzten Ort seiner Reise angekommen, kam Israel wieder in Mamre, dem heutigen Hebron, bei seinem Vater Isaak an. Dieser verstarb und wurde von seinen zwei Söhnen, Esau und Israel begraben. Über Rebekkas Schicksal erfahren wir nichts mehr, sie war wohl bereits verstorben. Ihre Strafe für den Frevel an ihrem Mann war, dass sie beide Söhne nie mehr sehen durfte und nicht erlebte, dass sie sich versöhnt hatten. 

Shabbat shalom!

© esther scheiner, israel

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Benjamin Netanyahu, Israels «Grösster Politiker aller Zeiten»

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Benjamin „Bibi“ Netanyahu [im Folgenden: B.N.] ist auf dem besten Wege, sich selbst (wie einst Napoleon in Frankreich) zum allergrößten Israeli und Juden aller Zeiten zu krönen.

Sein allerbester Freund und seine politische Stütze, der noch amtierende Präsident Trump, kann ihm bald keine Bühne mehr geben, um mit Innovation, Eloquenz, weltmännischem Gehabe, politischem Einfluss und schier grenzenlosem Wissen über alles, was es in der Politik, Wirtschaft, Medizin und Geschichte gibt, zu brillieren. Jetzt muss er sich eine eigene Bühne basteln. Und darauf hoffen, dass statt US-amerikanischer Claqueure die israelische Rechte ihm den lebensnotwendigen Applaus spendet.

Darum kämpft er jetzt erst recht mit Vehemenz und nicht enden wollendem Einsatz. Immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten.

Für Israel ist das Jahr 2020 kein Einfaches gewesen. Die Corona Pandemie hat hier, so wie weltweit vieles zerstört. Sie hat Einkommen vernichtet, Hoffnungen ausradiert, die Menschen in ihren sozialen und emotionalen Bedürfnissen dramatisch eingeschränkt und leider zu viele Opfer gefordert.

B.N. jedoch versteht es auch aus dieser dramatischen Situation noch politischen Profit und persönliche Vorteile zu ziehen. 

Im Frühjahr, während der ersten sogenannten Welle, telefonierte er mehrmals mit dem österreichischen Kanzler Sebastian Kurz, um ihn zu belehren, wie man mit der Pandemie umzugehen habe. Er glaubte das tun zu können, weil Israel diese Zeit tatsächlich gut überstand. Auf Dauer nicht sehr erfolgreich, wie sich leider herausstellte. Beide Länder verzeichnen zurzeit die weitaus höheren Zahlen als im Frühling. 

Die Entscheidungen, wie Israel regiert werden muss, werden, wenn schon nicht allein von ihm beschlossen, so doch nur und ausschliesslich von ihm Israel, der israelischen Bevölkerung und der Welt bekanntgegeben. Im Hebräischen gibt es den «Pluralis Majestatis» nicht. Ob die Verwendung der Form «wir» bei ihm darauf hinweist, dass er sich als Teamchef sieht, als Sprachrohr einer Gruppe? Oder ob er schon sprachlich seinen über allen erhabenen Status betont? Nur, dass es keinen Autokraten gibt, der zugleich ein Teamplayer ist!

Weil seine medizinische Expertise unermesslich ist, telefoniert er seit Tagen mit den CEOs der internationalen Pharmafirmen, die kurz vor dem Ende der Erprobungsphase eines Impfstoffes stehen. Dort kauft er so viel ein, dass wir wirklich hoffen können, bereits im frühen Frühjahr durchgeimpft zu sein. Und natürlich verkündet er jeden Tag seine Erfolge als Retter der Israelis. Vor allem der über 65-Jährigen, die als besonders gefährdet gelten. Aber bald wird alles gut! B.N. hat es versprochen. 

Jetzt winkt ihm die Krönung seiner Bemühungen! Der ehemalige irische PM Lord David Trimble, selbst ein Nobelpreisträger, hat ihn nun allen Ernstes als Kandidaten für den Friedensnobelpreis für 2021 vorgeschlagen. Und weil den Lord schon eine Medaille schmückt, muss das Nobel-Preis-Komitee den Vorschlag prüfen. Als Begründung schrieb der Antragsteller, Präsident Trump sei bereits nominiert worden. Also würden auch B.N. und der Kronprinz von Abu Dhabi diese Ehre verdienen. B.N. jubelt darüber, das ist klar. Immerhin hat er nun schon zwei Nominierungen, die erste kam bereits im September von einem italienischen Politiker. Es dürfte also eng werden auf der Bühne in Stockholm im kommenden Jahr. 

Aber für welche herausragende Leistung soll er denn eigentlich den Nobelpreis erhalten? 

Etwa für die Unterzeichnung des «Abraham Abkommen»? Das wurde doch nur aus wirtschaftlichen Interessen von Kushner und dem Trump-Clan mit den Arabern ausgehandelt. Zur Unterschrift in Washington durfte B.N. anreisen. Nicht, wie es korrekt gewesen wäre, sein Aussenminister Gabi Ashkenazi. Na ja, Macht der Gewohnheit. B.N. hatte seit Jahren das Außenamt an sich gerissen und bis zum Kollaps vernachlässigt. Wo auch immer auf der Welt er auftauchte, natürlich stets mit seiner Ehefrau Sarah im Schlepptau, wusste eigentlich niemand so genau, in welcher Funktion er gerade vor Ort war. Kein Wunder also, dass er nun immer wieder vergisst, dass er derzeit «nur» der PM ist. Die gesamte Aktion VAE – Israel wurde vor seinem Verteidigungsminister Benny Gantz und vor Aussenminister Gabi Ashkenazi geheim gehalten. Informiert hat B.N. nur seine Parteikollegen, seine Steigbügelhalter und Unterstützer.

So vergass er auch am vergangenen Wochenende, als er nach Saudi-Arabien zu einer Stippvisite flog, seine ranghöchsten Koalitionspartner Benny Gantz und Gabi Ashekanzi zu informieren. Sein Argument, er hätte Befürchtungen gehabt, die beiden hätten das Ziel des Fluges ausplaudern können, zeigt auf, wie schlecht das Verhältnis zwischen den Koalitionspartnern ist.

Aber auch auf der privaten Ebene ist längst nicht alles so koscher, wie es sein sollte. Muss der erste Mann im Staat nicht auch die Nummer eins im Vorleben von Werten sein? Wenn ich mir vorstelle, ich hätte ein kleines Vergehen begangen, müsste ich gewärtigen, dass die volle Härte der israelischen Rechtsprechung auf mich zukäme. Ich stelle mir vor, ich wäre mit einer fiebrigen Verkühlung oder mit einem komplizierten Beinbruch ans Bett gefesselt. Und würde so einen Gerichtstermin verschieben müssen. Für den israelischen Bürger unmöglich. 

Nicht so bei B.N.. Seine Rechtsanwälte möchten mehr Zeit, um ihre Papiere zu aktualisieren. Kein Problem. Die Termine werden angepasst, ganz wie es seinen Rechtsanwälten passt. Die Antworten auf die Anklageschrift durch die Verteidigung hätten schon im November fertig sein sollen, wurden auf Dezember und jetzt auf Januar verschoben. 

Das eigentliche Verfahren soll nun statt im Januar im Februar beginnen.

Und das wird vielleicht schon wieder mitten in einer Phase der Wahlvorbereitung sein. Die hat er, so ist es den heutigen Medien zu entnehmen, sorgfältig für den 29. Juni vorgesehen. Bis dahin, so hofft er wohl, ist ein grosser Teil der Bevölkerung geimpft und die Wirtschaft wächst wieder. Alles Verdienste, die er sich selber zuschreibt. Die dankbaren Israelis werden ihn, davon ist er überzeugt, wieder wählen. Mit einem Gewinn der Wahl kann er sich auch zugleich seiner grössten Herausforderung entziehen. Nämlich die, im November entsprechend dem Koalitionsvertrag seinen Platz als PM an Benny Gantz weiterzugeben. Um das aber zu erreichen, muss er die Budgetverhandlungen, die in der kommenden Woche abgeschlossen sein müssen, nochmals verschieben. Er wird einen Grund (er-)finden!

Nur ein Autokrat und Narzisst mit einer Prise Infantilität vermag die israelische Politik derartig zu manipulieren. Mit Unterstützung des rechten Blocks aus Likud, Rechtsextremisten und Ultra-Orthodoxen.

In der vergangenen Woche, nachdem die Bewährungszeit von Jonathan Pollard ablief, rief er ihn postwendend an. Er lud ihn ein, baldmöglichst «heimzukommen» und versprach ihm ein äusserst angenehmes Leben in Israel. Nicht, ohne auch die «bestmögliche» medizinische Betreuung für Pollards Ehefrau zu versprechen. Selbstverständlich inszenierte er den Anruf medienwirksam und liess das Video von seinem offiziellen Büro aus veröffentlichen. Aufmerksamen Verfolgen seiner Versuche, mit allen Tricks weiter im Amt zu bleiben, wird nicht entgangenen sein, dass auch die Freilassung Pollards nicht als sein Erfolg verbucht werden kann, sondern einzig der noch funktionierenden Demokratie in den USA.

Und nun hat er noch einen wirklich kapitalen Bock geschossen. Bei einer Veranstaltung mit dem Thema „häusliche Gewalt gegen Frauen“ bezeichnete er Frauen als Tiere, die ebenso wie Kinder Rechte hätten. Der ins Englische übersetzte Text des Videos lautet: «A woman isn’t an animal you can beat, and nowadays we say don’t hit animals. We have compassion for animals, women are animals, children are animals, with rights.” 

Ja, rein biologisch gesehen hat er ja recht. Menschen gehören zur Gruppe der Menschenaffen. Aber, und das hat er wieder mal vergessen, dazu gehört auch die männliche Spezies.

©esther scheiner, israel

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Wochenabschnitt: Wajeze, Bereshit 28:10 – 32:3

11./12. Kislev 5781 – 27./28.November 2020

Schabbateingang Jerusalem (Kerzenzünden) 15:55

Schabbatausgang Jerusalem                              17:14

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Dieser Wochenabschnitt schildert die Entwicklung des künftigen Patriarchen Jakob. In der letzten Woche haben wir ihn als jungen Mann kennengelernt, der sehr unter dem Einfluss seiner Mutter, der selbstbewussten Rebekka steht. Zwar zweifelte er daran, ob es gut sei, seinen Vater zu täuschen und seinen Bruder zu bestehlen, aber er ist noch nicht so selbstbewusst, die Anweisung seiner Mutter nicht zu befolgen. Er, der Mutter-Sohn, ist charakterlich noch nicht ausgereift.

Nun ist er auf der Flucht. Vor seinem Bruder Esau, der ihm Rache geschworen hatte. Er ist allein unterwegs nach Haran, zum Heimatort seines Vaters. Dort soll er sich im Haus seines Onkels Laban eine Frau suchen. 

Als sein Großvater Abraham lange zuvor die Reise in die umgekehrte Richtung machte, brach er mit seiner Vergangenheit. Auch Jakob scheint mit seiner Vergangenheit zu brechen. Aber tatsächlich legt er mit der Flucht von seinem heimatlichen Zelt den Grundstein für die Entstehung des jüdischen Volkes. 

In der ersten Nacht seiner Reise träumte er von einer Leiter, die von der Erde bis in den Himmel reichte. Auf dieser stiegen Engel hinauf und hinab. «Deine Nachkommen werden zahlreich sein wie der Staub auf der Erde. Du wirst dich unaufhaltsam ausbreiten nach Westen und Osten, nach Norden und Süden und durch dich und deine Nachkommen werden alle Geschlechter der Erde Segen erlangen.» Ein berühmter Traum, der in die Literatur eingegangen ist. Die Leiter zwischen der Erde und dem Himmel deutet möglicherweise auf den Entwicklungsprozess hin, den Jakob auf seiner Reise und während der Jahre im Exil durchlebt. Von der seiner Vergangenheit (der Erde/unten) zu seiner Zukunft (dem Himmel/oben). Vom kindlich naiven Knaben hin zum verantwortungsbewussten Patriarchen. Oder auch, wie Freud sagt. «Wo ES war, soll ICH werden!», also die klassische Persönlichkeitsentwicklung schlechthin.

Jakob stellte an dem Ort einen Stein auf und versprach, fortan einen Zehnten von allen Erträgen Gott zu widmen. Einem Gott, der Grosses mit ihm vorhat und ihm daher die Sünden an seinem Bruder vergeben hat. 

In Haran angekommen, trifft er auf Rachel, die jüngere der beiden Töchter seines Onkels Laban. Er wird von seinem Onkel herzlich aufgenommen. Wobei diese Herzlichkeit trügerisch ist. Er hilft einige Zeit bei der Landarbeit, bevor ihn sein Onkel fragt, was er sich als Lohn vorstelle. 

Jakob nutzt die Chance, um Rachels Hand anzuhalten. Laban stimmt zu, verlangt aber, dass dieser im Gegenzug sieben Jahre bei ihm arbeitet. 

Nach Ablauf der Zeit forderte Jakob Laban auf, ihn mit Rachel zu verheiraten. Und wurde Opfer einer Scharade, die sein Onkel mit ihm aufführte. Nach der Brautnacht, als die Ehe bereits vollzogen war, musste er feststellen, dass nicht seine geliebte Rachel, sondern Lea neben ihm lag. Ein betrogener Betrüger! Laban fand seinen Betrug offensichtlich nicht so schlimm. Es sei eben nicht üblich, die Jüngere vor der Älteren zu verheiraten. Und schlug vor, Jakob sollte doch die Brautwoche mit Lea verbringen, dann könne er auch Rachel heiraten. Allerdings wiederum um den Preis von weiteren sieben Jahren kostenloser Arbeit.

Die kommenden Jahre müssen für die beiden Frauen furchtbar gewesen sein. Trotzdem scheinen die Schwestern sich irgendwie arrangiert zu haben. Nur selten blitzt Neid und Eifersucht auf. Lea fühlte sich von ihrem Mann nicht geliebt, sie sieht sich in andauernder Konkurrenz zu ihrer Schwester. Lea glaubt, sich die Liebe ihres Mannes durch Leistung in diesem Fall durch Kinder erwerben zu müssen. Ebenso wie Esau von seinem Vater wegen seiner Leistungen geliebt wurde. Lea passt sich an, wohingegen Rachel immer aufmüpfig bleibt.

Und tatsächlich, Lea wird schwanger und bekommt hintereinander vier Söhne. 

Als Lea vermutet, nicht mehr schwanger werden zu können fordert sie von Silpa, ihrer Magd Jakob weitere Kinder zu schenken. Und so kommen wieder zwei Söhne zur Welt.

Eines Tages kehrt Ruben mit Alraunen «für seine Mutter Lea» vom Feld zurück. Alraunen wurden im Altertum gerne als angebliches Aphrodisiakum genutzt. 

Rachel fordert in ihrer Verzweiflung von ihrer Schwester, ihr von den Alraunen zu geben, was diese heftig ablehnt. Ihre Eifersucht auf Rachel kommt deutlich zum Vorschein «Ist es dir nicht genug, mir meinen Mann wegzunehmen? Nun willst du mir auch noch die Alraunen meines Sohnes nehmen?» Lea möchte noch mehr Kinder empfangen und gönnt ihrer Schwester keine Schwangerschaft. Kinder sieht sie als Schlüssel zum Glück mit Jakob.

Daraufhin bot Rachel ihr einen Tauschhandel an: die Alraunen von Ruben für sie und eine gemeinsame Nacht für Lea und Jakob. Lea beichtete ihrem Mann den Handel und wurde dafür von Gott belohnt, sie wurde erneut schwanger und schenkte Jakob ihren fünften, und im Jahr darauf einen sechsten Sohn. Mit der Geburt der einzigen Tochter Jakobs, Dina endet ihr Kindersegen. 

Doch jetzt scheint sich das Blatt im Konkurrenzkampf der Schwestern zu wenden. Rachel, die ihre Kinderlosigkeit immer als Schande empfunden hatte und sogar zwei Söhne durch ihre Magd hatte empfangen und gebären lassen, wurde schwanger und gebar ihren ersten Sohn. 

Die Familie des ersten grossen Patriarchen war damit fast komplett. Elf Söhne und eine Tochter bildeten zusammen mit den Eltern und Mägden die erste «nukleare Grossfamilie» der Thora.

Jakob fand nun, dass es Zeit sei, nach Hause zurückzukehren und bat seinen Onkel Laban um einen angemessenen Lohn. Immerhin war Jakob ohne jeglichen Besitz bei ihm angekommen und hatte aber viel dazu beigetragen, den Reichtum seines Onkels zu mehren. 

Um seinen Lohn festzulegen, bat Jakob seinen Onkel, bestimmte Tiere von den anderen abzusondern. Um nur die starken Tiere weiter zu züchten, und seiner Herde zuzuführen, wandte er eine List an.

Am Ende jedenfalls verfügte Jakob über eine Herde von starken, gesunden Tieren, während die Herden seines Schwiegervaters schwach und krank waren. Wieder hatte Jakob, um sich einen Vorteil zu verschaffen, einen anderen getäuscht. Die Söhne Labans erkannten die List und beschwerten sich. Jakob muss erkennen, dass Laban sich von ihm abwandte.

Doch Gott schützt ihn. «Kehre zurück in das Land deiner Väter und zu deiner Verwandtschaft! Ich bin mit dir.» Erstmals beruft sich Jakob auf «den Gott meines Vaters», der ihn gestützt habe, als er seinen Frauen erklärt, er habe nur entsprechend auf eine arglistige Täuschung ihres Vaters reagiert, der ihn ausgenutzt habe. 

Und mehr als das. Erneut hat Jakob einen Traum, in welchem ihm Gott in Gestalt eines Engels sagt, dass er, um Jakob vor der Bosheit Labans zu schützen, die Fortpflanzung der Herden gelenkt habe. Er erinnert ihn aber auch an sein Gelübde und fordert ihn auf, heimzukehren in das Land, das vor zwanzig Jahren seine Heimat war. 

Rachel stahl, bevor sie sich auf den Heimweg machten, die Götzenbilder ihres Vaters bevor Jakob sich mit seiner Familie davonschlich, ohne Laban zu informieren. 

Laban entdeckte die Flucht und jagte ihnen mit seinen Brüdern nach, wurde jedoch von Gott selbst im Traum daran gehindert, seinem Schwiegersohn Vorwürfe zu machen.

Als er sie eingeholt hatte, klagt Laban, dass Jakob seine Töchter wie Kriegsgefangene fortgeführt habe und ihn nicht über seine Abreise informiert hätte. Er beklagt auch, dass er sich nicht von seinen Töchtern und Enkeln hätte verabschieden können.

Die Situation schildert die typischen Missverständnisse, die zwischen Vätern und Schwiegersöhnen entstehen können. Väter haben Angst, dass diese ihnen ihre Töchter entfremden, wegnehmen könnten. Aber warum hat Rachel auch die Familiengötter mitgenommen? Jakob weiss nichts von diesem Diebstahl und bietet Laban an, die Zelte zu durchsuchen. Weder bei Jakob, Lea oder den beiden Mägden wird er fündig.

Rachel, die Diebin, hatte sich auf einen Kamelsattel gesetzt und gab vor, ihre Regel zu haben, weshalb sich nicht aufstehen könne. Laban fällt auf diese List rein und muss die Suche erfolglos abbrechen. Jakob aber zählt nun auf, was er in den letzten zwanzig Jahren für seinen Schwiegervater getan hat. Und er klagt ihn an, dass er ihn, wenn sich nicht Gott für ihn eingesetzt hätte, ohne Bezahlung, ohne Ausgleich davongejagt hätte.

Ob Laban seine Fehler, seine Listen und Täuschungen eingesehen hat oder ob er nur Ruhe haben möchte, wird nicht geklärt. Beide errichten einen weiteren Steinhügel als Zeichen eines Vertrages und erklären, diese Grenze nie mehr in böser Absicht zu überschreiten.

Shabbat shalom!

© esther scheiner, israel

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Israelisch-kanadische Wissenschaftler erforschen Frühdiagnostik bei Alzheimer Demenz

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Weltweit leiden derzeit knapp 50 Millionen Menschen an Alzheimer. Etwa 65 % der Demenzkranken leider unter dieser Sonderform. Welche Ursachen diese neurodegenerative Erkrankung hat, ist bis heute nicht völlig erforscht. Frauen nach der Menopause erkranken häufiger daran als Männer. Ältere Menschen sind generell stärker gefährdet als jüngere. Wobei es Ausnahmen gibt. So erkrankte der bisher bekannte jüngste Patient im Alter von 26 und verstarb mit 36 Jahren an den Folgen der Krankheit.

Das Gehirn eines Alzheimer–Patienten zeigt nach einer Untersuchung mit bildgebenden Verfahren (CT oder MRI) ob und welche Teile des Gehirns bereits von der Krankheit betroffen sind. Die heutigen Untersuchungsverfahren geben erst dann Hinweise auf die Krankheit, wenn sich diese bereits manifestiert hat. Das bedeutet, dass die Kommunikation zwischen den Nervenverbindungen, den Synapsen gestört ist und den problemlosen Austausch von Informationen beeinträchtigt oder sogar ganz verhindert. Dadurch verlieren mit fortschreitendem Krankheitsverlauf ganze Gehirnbereiche ihre Funktionsfähigkeit. 

Leider gibt es bis heute noch keine Möglichkeit, die Krankheit zu heilen. Medikamente, die den Verlauf mildern oder verzögern sollen, und nicht-medikamentöse Therapien sollen nicht nur eine positive Wirkung auf den Verlauf haben, sondern, und das ist gerade bei dieser Krankheit besonders wichtig, auch die emotionalen und sozialen Fähigkeiten der Erkrankten stützen. 

Ob die Alzheimer-Demenz (AD), so ihr wissenschaftlicher Name, auch vererbbar ist, ist derzeit noch nicht erforscht. Viele Menschen, bei denen bereits Fälle von AD in der Familie gab, fühlen sich verunsichert, wenn sie bemerken, «dass das Gedächtnis nicht mehr so funktioniert wie früher.». Dabei ist es ganz normal, und kann bereits bei relativ jungen Menschen festgestellt werden, dass ein Name oder ein Begriff auf einmal «weg» ist, ein Termin verpasst wird oder man mitten im Satz den Faden verliert. Das passiert jedem, dem einen mehr, der anderen weniger. Wesentlich ist aber, dass diese Informationen relativ schnell wieder zur Verfügung stehen und korrigiert werden können. Gründe dafür gibt es viele: Unkonzentriertheit, Ablenkung, Püfungsangst …

Jetzt ist das israelisch-kanadische Team um Eliav Shaked und Roy Kirschon überzeugt  einen möglichen Durchbruch in der Frühdiagnostik von AD geschafft zu haben. Bereits im Jahr 2017 ermöglichte das Ontario Brain Institute den beiden mit dem mit $ 50.000 dotierten Forschungsfond, ihr Start-up Unternehmen «RetiSpec» zu gründen. 

Die ersten Pilotuntersuchungen wurden im Jahr 2017 in Israel durchgeführt, weitere Forschungsreihen wurden ab 2018 in Zusammenarbeit mit der Universität Minnesota durchlaufen. Wesentlich war hierbei der Zugang zu einem speziellen bildgebenden Untersuchungssystem, das von drei US-amerikanischen Wissenschaftlern entwickelt worden war. 

Durch diese Zusammenarbeit gelang es, das technische Know-how von RetiSpec zu erweitern und zu belegen, dass durch einen Scan der Netzhaut, wie er bei jeder Augenuntersuchung vorgenommen wird, bereits winzige Ablagerung des nervenzerstörenden Proteins entdeckt werden können. Erst wenn sie sich tatsächlich in grossen Mengen im Gehirn finden, kommt es zu den AD auslösenden Ablagerungen. 

screenshot: https://www.retispec.com

Die Technologie von RetiSpec basiert auf zwei Modulen: einer speziellen Software und einer «plug and play» Hardware, die als Zubehör bei jedem bekannten Untersuchungsgerät genutzt werden kann. 

Durch diese einfache, aber effektive Bildgebung, die weltweit und dazu noch sehr kostengünstig eingesetzt werden kann, gibt es wieder Hoffnung, die AD Erkrankung bald allgemein früher zu erkennen. In einem Stadium, in dem vielleicht noch durch eine entsprechende Therapie diese schreckliche Krankheit behandelt und hoffentlich auch geheilt werden kann. 

© esther scheiner, israel

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Wochenabschnitt: Toldot, Bereshit 25:19 – 28:9

4./5. Kislev 5781 – 20./21.November 2020

Schabbateingang Jerusalem (Kerzenzünden) 15:57

Schabbatausgang Jerusalem                              17:16

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Es ist die Geschichte des ersten Zwillingspaares in der Torah, von Jakob und Esau. Ich wähle diese Reihenfolge, weil sich die Hierarchie der Zwillinge bereits während der Schwangerschaft abzeichnet. Rebekka, spürt, dass die Bewegungen, die sie während der Schwangerschaft wahrnimmt, deutlich stärker sind, als sie es erwartet hätte. Auf ihre Frage hin, legt Gott die Rangfolge zwischen den beiden fest: «Zwei Völker sind in deinem Leib, / zwei Stämme trennen sich / schon in deinem Schoß. / Ein Stamm ist dem andern überlegen, / der ältere muss dem jüngeren dienen.»

Ihre Kinder sind so unterschiedlich, wie sie nur sein können. Der zuerst geborene, Esau, strotzt vor Gesundheit, ist kräftig und über und über mit roten Haaren bedeckt. Der zweite Knabe, Jakob, klammert sich an die Ferse seines Zwillingsbruders. Hat er Angst, ohne diesen nicht lebensfähig zu sein?  Oder wird er, im Gegenteil, nicht akzeptieren, dass er ein Leben lang eben immer nur «der Zweite» sein wird? 

Die Kinder nehmen auch eine ganz unterschiedliche Entwicklung. Esau, ein typischer Vatersohn, wird der junge Mann, der sich auf den Feldern und bei der Jagd wohlfühlt. Jakob hingegen bevorzugt es, daheim zu bleiben, er ist der von der Mutter bevorzugte. Wie häuslich er ist, zeigt uns die Szene, in der Jakob beginnt, das für ihn vorgesehene Schicksal zu drehen. Esau kommt vom Feld und ist hungrig. Er bittet Jakob, ihm doch von dem roten Gericht, das er gekocht hat (!) abzugeben. Jakob nutzt die Gelegenheit und «verkauft» es ihm. Als Preis verlangt er von seinem älteren Bruder das Erstgeburtsrecht. Esau ist so naiv, dass er den für ihn schlechten Handel gar nicht bemerkt, für ihn ist es in dem Moment nur wichtig, ein Elementarbedürfnis zu  befriedigen. Gedanken über den Verlust von etwas sehr Existentiellem macht er sich nicht. 

Immer wieder finden wir in der Tora Beispiele für das  Schicksal der Zweitgeborenen: Kain und Abel, Ishmael und Jitzhak, Esau und Jakob, Lea und Rachel, Josef und seine Brüder, Efraim und Menashe, Moses und Aron. Geschwister und besonders Zwillinge rivalisieren oft um die Liebe der Eltern, von denen sie immer «mehr» haben wollen. Mehr Zeit, mehr Zuwendung, mehr Liebe, mehr Unterstützung, oder, wie in dieser Geschichte, mehr Segen. Ihr Streben und der Motor ihrer Handlungen ist es, den elterlichen Segen zu erhalten. 

Die Schöpfungsgeschichte ist die der paarweisen Gegensätze: Tag und Nacht, Licht und Dunkel, Sonne und Mond, Land und Meer, Gut und Böse.

Auch hier schon werden die Nachgeborenen benachteiligt. Für sie hatte Gott keinen Segen mehr. Den hatte das erste Paar bereits erhalten. «Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: (…)» (Ber. 1:27 – 1:28), Erst später (Ber.2:7 – 2:21) schuf er den Adam und aus dessen Rippe den zweiten Menschen, Eva. Für dieses Paar gab es, inmitten des Paradieses die erste Einschränkung der Tora. Sie durften nicht vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse essen. 

Der zweitgeborene Sohn Abrahams, Jitzhak, erscheint während seines Lebens ziemlich konturlos. Wir wissen nicht viel von ihm. Als Sohn eines mächtigen Vaters, zu dem Gott sagte «Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.»  (Ber.12:2)der also selber zum Segen für die Menschen werden sollte und als Vater von Jakob, der mit seinen 12 Söhnen wirklich zum Gründer für das Volk Israel wurde, nimmt er nur die Funktion eines Bundegliedes zwischen den Generationen ein. Nur gegen Ende seines Lebens greift er, unwissend, in die Geschichte ein. 

Er wollte Esau als Erstgeborenen segnen und ihn damit formell als seinen Nachfolger einsetzen. Er bittet ihn ein letztes Mal um Wildbret, das er so sehr liebt. Hier greift Rebekka in das Schicksal der Zwillinge ein. Sie schmiedet einen Plan, wie der Vater getäuscht werden kann. Nur zögernd lässt sich Jakob auf dieses Ränkespiel ein. Er erhält den väterlichen Segen und verliert, als der Betrug auffällt zugleich seinen Bruder, der ihn fortan hasst. Für Esau ist kein liebevoller väterlicher Segen mehr übrig. Der Segen, den der Vater ihm mitgibt, ist ein bitterer, der ihm eine harte Zukunft prognostiziert.

Rebekka schickte ihren Liebling Jakob fort, um ihn vor seinem Bruder zu schützen. Offiziell aber mit dem Auftrag, sich im alten Heimatland eine Frau aus dem Hause seines Onkels Laban zu suchen. Jakob verliess mit dem nochmaligen Segen des Vaters sein Elternhaus.

Rebekka wird Jakob nie mehr sehen und hat wahrscheinlich auch den von ihr getäuschten Esau verloren. 

Der suchte,  um den Eltern zu gefallen, seinen Onkel Ishmael auf und nahm dessen Tochter, Malhalat als dritte Ehefrau zu sich. 

Shabbat shalom!

© esther scheiner, Israel

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Shabbat shalom aus Israel

26./27. Cheschwan 5781 – 13./14.November 2020

Schabbateingang Jerusalem (Kerzenzünden) 16:01

Schabbatausgang Jerusalem                              17:18

Wochenabschnitt: Chaje Sarah, Bereshit 23:1 – 25:18

Der Wochenabschnitt beginnt mit dem Tod von Sarah im biblischen Alter von 127 Jahren. Die Frage, die sich für mich immer wieder stellt, wenn ich diesen Abschnitt lese, warum war Sarah zum Zeitpunkt ihres Todes in Kirjat-Arba (heute: Hebron) und ihr Ehemann Abraham lebte in Beersheba? Abraham machte sich also auf den Weg und kaufte in Kirjat Arba die Höhle Machpela von den dort ansässigen Hetitern. Sie ist der Ort, an dem alle Stammväter und -mütter beigesetzt sind: Abraham und Sarah, Isaak und Rebekka, Jakob und Lea. Nur Rachels Grab befindet sich zwischen Jerusalem und Bethlehem.

Mit dem Tod wird das Ende der ersten Gründergeneration eingeläutet. Abraham schickt seinen Diener Elieser los, um in seinem Namen eine Ehefrau für seinen Sohn Isaak zu finden. Er besteht darauf, dass diese Frau aus seiner alten Heimat Charan kommen muss und keinesfalls eine Kanaaniterin sein darf. Reich beladen mit Brautgeschenken macht sich der Diener auf den Weg. 

Seine erste Begegnung bei der Ankunft  in der Stadt Nahors war die mit Rebekka. Er stellte sie auf die Probe und konnte so sehr schnell ihre Grossmütigkeit und Selbstständigkeit erkennen. Beides Eigenschaften, die er für die zukünftige Schwiegertochter seines Herrn suchte. Rebekka wird uns sehr viel plastischer geschildert. Wir erfahren hier bei diesem ersten Treffen schon mehr von ihr, als wir von Sarah jemals wussten. 

Sie ist durchaus in der Lage für sich selber zu entscheiden, ein zur Zeit des absoluten Patriachats seltene Charaktereigenschaft. Die Brautgeschenke Abrahams  nimmt sie ohne zu Zögern an. Und sie entscheidet, sofort mit dem Diener Abrahams nach Beersheba zurückzukehren. Offensichtlich ist sie noch sehr jung, denn eine Amme begleitet sie auf ihrem Weg. Die Ähnlichkeit in Herzlichkeit, Spontaneität und Grosszügigkeit erinnert an Abrahams Verhalten den drei Gesandten gegenüber, mit denen die Geburt des Isaak angekündigt wurde. 

Das erste Treffen der Brautleute und er nächsten Gründergeneration findet zufällig auf einem Feld inmitten der Negev Wüste statt, in der sich Isaak niedergelassen hatte.  Der Knecht stellte die beiden einander vor. Offensichtlich ist Rebekka vom ersten Moment an beeindruckt und verhüllt sich mit einem Schleier. In dem Moment akzeptiert sie Isaak als ihren Ehemann und überschreitet die Grenze vom jungen Mädchen zur Frau. 

«Isaak führte Rebekka in das Zelt seiner Mutter Sara. Er nahm sie zu sich und sie wurde seine Frau. Isaak gewann sie lieb und tröstete sich so über den Verlust seiner Mutter.» Mit diesen wenigen Worten wir beschrieben, dass Isaak seiner Braut die ehemalige Wohnstatt seiner Mutter überliess und sie damit in ihre Rolle als zukünftige Stammmutter einführte. Die beiden sind das einzigen Gründereltern, die in einer monogamen Ehe lebten. Man könnte sagen, dass mit ihnen die echte eheliche Liebe Einzug fand in die Tora. Rebekka milderte das Trauma, dass Isaak erlitten hatte, als er seine Mutter nicht mehr vorfand, nachdem er mit seinem Vater vom Berg Moriah zurückgekommen war.

Der Wochenabschnitt könnte hier enden. Aber wir erfahren noch, dass Abraham sich eine zweite Frau, Ketura genommen hat. Im Midrasch lernen wir, dass es sich bei Ketura um Hagar gehandelt hat. Dort steht ferner, dass Isaak es war, die Ketura zu Abraham gebracht hat, um die Kränkung zu mildern, die ihr durch Sarah zugefügt worden war. Nur so sah er sich in der Lage, das geistige Erbe seines Vaters anzutreten. 

Nachdem Abraham sein weltliches Erbe geregelt hatte, starb er im hohen Alter von 175 Jahren. Der Wochenabschnitt endet versöhnlich. Die beiden erstgeborenen Söhne, Ismael und Isaak begruben den Vater gemeinsam. Die Frage, wie sich die Geschichte entwickelt hätte, wenn Abraham nicht auf Sarah gehört und Hagar mit Ismael fortgeschickt hätte, können wir nicht beantworten, jede Spekulation dazu gehört in das Reich der Phantasie. 

Shabat Shalom

© esther scheiner, israel

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Ein vier Jahre dauernder Alptraum ist zu Ende!

Auch hier in Israel stand die Wahl des neuen Präsidenten der USA im Mittelpunkt des Interesses. 

Nicht nur die USA waren geteilt, was den Wunschkandidaten angeht, es gab auch hier heftige Meinungsverschiedenheiten.  

Keiner hatte erwartet, dass es einfach werden würde. Diesmal trafen neben der üblichen Demokrat vs. Republikaner Divergenz zwei Menschen aufeinander, die unterschiedlicher kaum sind. 

Der zukünftige Präsident Joe Biden mit seiner Vizepräsidentin Kamala Harris

Joe Biden, 1942 geboren, amtierte als jüngster Kandidat in den Jahren 1973 bis 2009 als Senator in seinem Heimatstaat Delaware. Von 2009 bis 2017 war er Vizepräsident unter Präsident Barack Obama. Bereits im Jahr 2016 sprach er Trump die Eignung für das Amt ab. Eine Feststellung, die er wegen Trumps Unfähigkeit, die Corona Krise zu managen vor wenigen Wochen wiederholte. Biden ist ein über Jahrzehnte hinweg erfahrener Berufspolitiker, der sich während der gesamten Jahre unkorrumpierbar zeigte. Anschuldigungen, die sich vor allen gegen seinen Sohn Hunter richteten, erwiesen sich nach sorgsamen Überprüfungen als haltlos. Auch wenn die Anhänger Trumps gerne nach wie vor das Gegenteil verbreiten. 

Auch über seine privaten Finanzen liess Biden niemanden im Ungewissen. Entsprechend seiner Steuererklärung für 2019 zahlte das Ehepaar Biden  US$ 346.000 bei einem gemeinsamen Einkommen von US$ 985.000. Biden zeigt sich in seinen öffentlichen Auftritten ruhig und auf die Menschen zugehend. Als jemand, der weder poltert, noch flucht, noch schimpft, geschweige denn pöbelt. Die Körpersprache ist zurückhaltend, er sucht den Kontakt mit seinen Zuhörern mit den Augen und nicht mit dem ausgestreckten Zeigefinger. Es gab nur eine Ausnahme «Halt doch mal den Mund, Mann!» (Would you please shut up, man!) forderte der anlässlich des ersten TV Duells seinen Kontrahenten auf, der ihn permanent unterbrach. Bei seinem Amtsantritt am 20. Januar 2021 wird er der Präsident mit dem höchsten Alter zu Beginn der ersten Amtszeit sein.

Bisher war das Donald Trump. 1946 geboren, war er im Jahr 2017 bei seinem Amtsantritt 70 Jahre. Ein Mann ohne jegliche politische oder militärische Erfahrung. Offenbar schämt er sich seiner deutschen Herkunftsfamilie, deren Hintergrund er während seines Wahlkampfes und in den ersten Monaten seiner Amtszeit verschleierte. Dabei entsprach sie dem typisch amerikanischen Narrativ «vom Tellerwäscher zum Millionär». 

Seine eigene Steuererklärung, die einige brisante Zahlen beinhalten dürfte, hat er bis heute nicht veröffentlicht. Das Ende seiner Präsidentschaft könnte für ihn den Beginn mehrerer Strafverfahren bedeuten. Ihm drohen einige Jahre Gefängnis, wenn sich die Anklagen wegen Steuerhinterziehung, Versicherungsbetrug und Veruntreuung erhärten. (Wer hier eine Parallele zu unserem PM Netanyahu sieht, irrt sich nicht) 

Schon sein Vater stilisierte ihn zum «König» und «Killer». Bereits in der Schule fiel er durch ausserordentlich aggressives Verhalten auf.

Die Zeit nach dem College verbrachte er in Manhattan, oft in der Gesellschaft vom Rechtsanwalt Roy Cohn, der massgeblich an der Verurteilung des jüdischen Ehepaares Ethel und Julius Rosenberg beteiligt gewesen war. Nachdem die beiden 1953 getötet worden waren, gab Cohn 1986 zu, «aus Geltungssucht einen unfairen Prozess geführt zu haben und, dass die Regierung die «Beweise» gegen die beiden hergestellt habe.» 

Von Cohn lernte er, die Presse zu benutzen, um ein positives Bild von sich aufzubauen. Zur Erinnerung, auch PM Netanyahu hatte eine zwielichtige Person als Mentor. Trump wurde der Liebling der Medien. In der Folge geriet alles, was eigentlich als Misserfolg gewertet werden musste, für ihn zum Erfolg. Ob es der Skandal um seine erste Ehe war, die Konkurse von einigen seiner Unternehmen, er kannte keine Rücksicht auf die Opfer seiner Misserfolge. Sie waren ihm einfach gleichgültig. Sein ungebrochener Machtwille, seine Rücksichtslosigkeit, sein perfektes Spiel auf der Klaviatur von Rassenhass und Frauenfeindlichkeit, nichts störte seinen Erfolg. Schon damals drohte er, eine verlorene Wahl, damals gegen Hillary Clinton anzufechten. Er war verhasst … und er gewann 2016. 

Und nun trat er ein zweites Mal an. Siegessicher, absolut davon überzeugt, der einzig legitime wiedergewählte Präsident zu sein. 

Die erste Siegesmeldung bereits in der Wahlnacht

Auch als bereits die meisten Zahlen gegen ihn sprachen, verkündete er bereits in der Wahlnacht unglaublich überzeugt von der Wahrheit seiner Worte, er habe die Wahl gewonnen. Und strengte gleichzeitig Klagen und Prozesse an, um alle Stimmzettel nochmals auszählen zu lassen. 

DSein Sohn, Donald Trump jr., ganz nach ihm geraten, stellte sich vor die Mikrofone und forderte «den totalen Krieg».

Nachdem AP und Fox (!) Arizona als für Biden gewonnen bekannt gaben und es damit 264:214 stand, wurde die Zahl wieder auf 213:214 reduziert. Arizona musste mit der Bekanntgabe noch warten. Diese Zahl blieb für einige Tage unverändert stehen. 

«To close to call» ist das Wort, das ich hoffe, lange nicht mehr hören zu müssen. Das immer dann in der Presse auftauchte, wenn der Unterschied zwischen Trump und Biden weniger als 0.5% betrugDie aktuellen Zahlen vom Freitag, 6. November mittags lauteten:

Und dann gestern, Samstag den 7. November um 18:52 MEZ der Paukenschlag, zwei grosse amerikanische Zeitungen erklären Biden zum Sieger der Wahl! Biden gewinnt 290 Stimmen, zu denen noch weitere 16 hinzukommen können. Trump steht bei 214 Stimmen, zu denen noch 18 hinzukommen können. Ein klares Ergebnis. Es ist noch nicht das amtliche Endergebnis, auf das werden wir noch bis zur kommenden Woche warten müssen. 

Doch es wird Kämpfe geben, Trump hat sich gestern, kurz vor der Bekanntgabe seiner Niederlage, nochmals per Twitter zum Sieger gekürt, um dann einige Stunden auf dem eigenen Golfplatz zu verbringen.

Eine Runde Golf auf dem eigenen Platz in Virginia

Wir können nur hoffen, dass zum Schluss die Vernunft der Anwälte über ihre Geldgier siegt, und sie diese völlig sinnlosen Klagen nicht verfolgen. 

Am 20. Januar 2021 beginnt eine neue Ära. Was wird diese Präsidentschaft für die tief gespaltenen USA bedeuten? Gelingt es Biden tatsächlich, die «Seele der Amerikaner zu heilen»? Wird er wirklich, wie er versprochen hat, der «Präsident für alle Bürger» sein?

Was uns hier in Israel natürlich ganz besonders interessiert, wie wird sich das Verhältnis des neuen Teams von Joe Biden und Kamala Harris zu Israel gestalten? Unser PM Netanyahu hat in den letzten Jahren fast alles auf sein inniges Verhältnis zu Präs. Trump gesetzt. Von der psychischen Struktur her sind die beiden sich sehr ähnlich: Machtmenschen, die nicht verlieren können, Narzissten mit einem stark überhöhten Selbstbild. Verfolgen sie ein Ziel, so nehmen sie keine Rücksicht; auf Nichts und auf Niemanden. Sie dienen beide nicht den Bürgern des Landes, die sie gewählt haben, sondern nur ihrem eigenen Ego. Dass es mit Trump und Netanyahu so gut geklappt zu haben scheint, mag einerseits an der grossen Entfernung zwischen den Staaten liegen, aber auch daran, dass Netanyahu als derjenige in der Beziehung, der weniger zu geben, als zu nehmen hatte, immer wieder brav gekuscht hat. Und was ist es, was aus der Ära, die nun gotteidank vorbei ist für Israel bleibt? Die Verlegung der Botschaft nach Jerusalem hat nur Symbolcharakter. Es sind kaum andere Staaten dem Beispiel gefolgt. 

Von den laut gepriesenen «Abraham Abkommen» müssen wir gar nicht mehr sprechen. Am 4. November wurde in der UNO Vollversammlung über sieben Resolutionen abgestimmt. Alle betreffend Israel. Hier sind die Ergebnisse im Einzelnen. Es ist erstaunlich, dass sich beide neuen «Partner» VAE und Bahrain nicht für Israel eingesetzt haben. Oder sich zumindest der Stimme durch Abwesenheit bei der Abstimmung enthalten hätten. Wie schnell aus der neuen Freundschaft wieder eine politische Eiszeit ist, bleibt abzuwarten. 

Klar ist, die nächsten Monate werden spannend. In den USA, aber auch in Israel. Auch hier könnte es bald wieder Neuwahlen geben. 

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8. November 2020 · 16:20

Frieden ist ein schönes Wort, doch was bedeutet es eigentlich?

Im 3. Buch Moses (Vajikra 26:3-6) finden wir den Hinweis: «Wenn ihr in meinen Gesetzen gehen werdet, und meine Gebote hüten und sie ausüben werdet (…) Ich gebe Frieden im Land, ihr legt euch nieder und nichts stört eure Ruhe. Ich lasse wildes Tier aus dem Land schwinden und kein Schwert wird durch euer Land ziehen.» Rashi, einer der grössten Talmudgelehrten, schreibt in seinem Kommentar dazu: «Wenn es keinen Frieden gibt, habt ihr nichts. In dem Sinn, dass ihr möglicherweise alle Reichtümer dieser Welt habt, gutes Essen, ein schönes Haus und alles, was man mit Geld kaufen kann. Aber, wenn ihr keinen Frieden habt, ist das Alles nichts wert.»[1]

Eine andere spannende Interpretation dieses Wochenabschnittes habe ich von Bettina Spoerri gefunden.[2] Sie beschreibt den strikten «Wenn – Dann Aufbau» der Parascha Bechukotai (Vajikra 26: – 27:4) die durch mit einer Steigerung der Vergehen einen entsprechenden Bestrafungsmechanismus in Gang setzt. Es ist von der Eroberung des Landes durch Feinde, bis hin zur Zerstörung und Vertreibung aus dem Land die Rede. Der Lohn für ein von Gott gewolltes und gefordertes Wohlverhalten bleibt in den Ankündigungen klar hinter der Härte der Bestrafungen zurück. Irgendwann sind die Menschen sich selber und ihrer Angst überlassen. Sie fürchten sich weniger vor einer strafenden Instanz, als vor sich selber. Menschen, die auf Grund ihrer grenzenlosen Naivität aus dem Garten Eden vertrieben wurden, sind am Ende des Prozesses psychisch gereift, sie verfügen nun über ein strafendes «Ich», das wir bei Freud als «Über-Ich» kennengelernt haben. Erst in diesem Zustand tiefster Selbsterkenntnis können sie umkehren. Erst dann, wird aus dem strafenden «Wenn – Dann» wieder ein versöhnliches. Erst dann kann es wieder Raum für einen von innen kommenden Frieden geben. 

Der Friede beginnt im eigenen Hause. Der Weltfrieden beginnt mit dem inneren Frieden der Staaten. Im innerpolitischen geistigen Kampf um die Herrschaft muss die Gesinnung der Friedlosigkeit, die die Gewalt wollen würde, wenn sie nur könnte, verschwinden. Denn die Friedlosigkeit der Innenpolitik macht auch den Frieden in der Außenpolitik unmöglich. Karl Jaspers (1883-1969)

Johann Galtung (1971) «Positiver Frieden» Die Ziele des positiven Friedens sind zum einen der dauerhafte Frieden, Friedenssicherung und die friedvolle gewaltfreie Gesellschaft. Dieser Frieden kann allerdings nur durch Gerechtigkeit, durch Einhaltung von Menschenrechten, Versöhnung und Verständigung, Aufbauhilfen und Kriegsfolgebewältigung erreicht werden. «Negativer Frieden» Gemeint ist damit ein Frieden, der durch die Abwesenheit von direkter personaler Gewalt besteht, insbesondere der Abwesenheit von organisierter militärischer Gewaltanwendung. Die Ziele des negativen Friedens sind zum einen die Beendigung der gewaltförmigen Konfliktaustragung, Waffenstillstand/-ruhe, Friedensverträge und eine ständige Sicherheit für die Bevölkerung. 

Wenn man diese sehr unterschiedlichen Definitionen aus verschiedenen Epochen anschaut, so kann man daraus durchaus spannende Rückschlüsse ziehen. 

© https://www.i24news.tv/en/news/international/middle-east/158948-171030-new-west-bank-wall-mural-showing-netanyahu-trump-kissing-sparks-controversy

In den vergangenen Wochen wurde in israelischen Zeitungen immer wieder über «Friedensabkommen» gesprochen, die zwischen Israel und einigen arabischen Staaten, aber auch einem afrikanischen Staat abgeschlossen wurden. Den Vereinigten Arabischen Emiraten folgte Bahrain. Zur Vertragsunterzeichnung reiste PM Netanyahu selber in die USA. Er missachtete dabei völlig, dass dies die Aufgabe des Aussenministers gewesen wäre. Dessen OK holte er erst auf dem Flug ein. Mittlerweile wurden auch intensive Kontakte mit dem afrikanischen Staat Sudan geknüpft. Und aus den USA ist zu hören, dass es, entweder noch vor der Wahl am 3. November, oder unmittelbar danach «zehn weitere Verträge geben wird.» Von Oman ist die Rede, ein Staat mit dem der PM schon seit Langem gute Kontakte hat, aber auch von Saudi-Arabien. Trump träumt von weiteren 10 Staaten, von Kuwait, und sogar vom Iran: »Ich sehe eine Menge Staaten, die recht schnell kommen werden. Und wenn sie alle dabei sind, dann wird auch der Iran kommen. Es wird Frieden im Mittleren Osten sein. Das wird nett sein (sic!)»  [Diese prophetischen Worte stammen aus dem August!]

Und der Preis für all das? Bereits im August war es ein offenes Geheimnis, dass es beim Deal mit den VAE, der am 15. September in Washington mit grossem Brimborium unterschrieben wurde, um Waffen ging. Um den Verkauf von F-35 an die Scheichs aus dem Morgenland. Und um Geld! Kaum zu glauben, welche israelischen Investoren, Krankenhäuser, Banken und andere schon bereitstehen. Sie wittern das grosse Geschäft am Golf. Es kann ihnen gar nicht schnell genug gehen. 

Auch Katar und Saudi-Arabien haben bereits Interesse am F-35 angemeldet. Wenn doch der Iran auch ein Friedenskandidat ist, warum verkauft Trump dann nicht auch dorthin?

Und was ist der Preis für den Deal mit dem Sudan? Der Sudan, der bisher auf der Liste der «Terrorstaaten» gelistet war, wurde von den USA von dieser Liste gestrichen. Im Gegenzug hat der Sudan eine erkleckliche Summe an Entschädigungsgeldern an die USA gezahlt. Gelder, die den Familien zu Gute kommen sollen, die als US-Amerikaner Familienangehörige durch sudanesischen Terror verloren haben. 

Die Beachtung der Menschenrechte als Voraussetzung für Frieden findet man in allen vier oben genannten Denkansätzen. Wie schaut es mit der Einhaltung der Menschenrechte in den Staaten aus, mit denen Abkommen von Präs. Trump und seinem Adlatus Kushner einerseits, und PM Netanyahu andererseits ertrotzt wurden?

In den VAE gibt es keine nennenswerte Meinungsfreiheit, wer den Staat kritisiert, wandert ohne Prozess für Jahre ins Gefängnis. Wanderarbeiter, gleich welcher Herkunft, werden teilweise wie Sklaven gehalten. Ähnliches gilt auch für Hausangestellte. Dass auch Frauen in den VAE nach wie vor mit der vollen Härte der Scharia rechnen müssen, zeigt sich immer wieder dann, wenn eine Frau, auch wenn sie Touristin ist,  Anzeige wegen sexueller Belästigung machen will. Im Regelfall wird sie als Schuldige und damit zu Bestrafende angesehen. Meist bedeutet die Strafe den Tod.

Auch in Bahrain gilt die Scharia. In diesem autoritär regierten Land regelt sie vor allem das Leben von Frauen und Kindern. Obwohl der Staat die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UNO unterschrieb, kommt es immer wieder zu Übergriffen und Verhaftungen von Regierungskritikern. 

Im Sudan haben die verheerenden Zustände dazu geführt, dass Tausende von Menschen unter anderem auch nach Israel geflohen sind und nun hier in einer Zwischenwelt von Illegalität leben müssen. 

Sollten tatsächlich in absehbarer Zeit Saudi-Arabien und Katar in den illustren Kreis aufgenommen werden, so werden die Berichte über Verletzungen der Menschenrechte endlos sein. 

Ein abscheuliches Beispiel der besonderen Art leistete sich gerade Katar. Nachdem auf dem Flughafen von Doha auf einer öffentlichen Toilette ein neugeborenes Baby abgelegt und gottseidank gefunden wurde, liessen die Behörden eine startbereite Maschine der Qatar Air auf dem Rollfeld stehen. Die Frauen an Bord, darunter auch 13 Australierinnen auf dem Weg nach Hause, wurden zwangsweise gynäkologisch «untersucht». Die Frauen berichteten, sie seien nicht über das Vorgehen informiert worden. Man wollte damit versuchen, die Mutter des Neugeborenen zu finden. 

Frieden, so heisst es weiter oben, ist nur dann möglich, wenn auch der innere Frieden gewährleistet ist. In diesen Staaten ist das nicht der Fall. 

Das, was die USA uns als grossen Erfolg verkaufen will, in dessen Glanz sich auch unser PM gerne sonnt, ist nichts anderes, als ein Versuch Trumps, noch schnell ein paar Glitzersteinchen auf seinem Kopf zu sammeln, bevor vielleicht am kommenden Dienstag, dem 3. November, seine politische Zeit endgültig abgelaufen sein wird. 

Unser PM darf/muss aber noch eine Weile weiterregieren. Ob sein Über-Ich nach einer Wahlniederlage Trumps schon so erstarkt ist, dass er seine Fehler einsieht, muss die Zeit zeigen. Baruch Binah schreibt dazu in den ynet news«Der 3. November könnte sich als Beginn eines langen und dringend benötigten Reha-Prozesses für das internationale Ansehen des Landes [Israel] erweisen.(…) Trump wird von vielen als Israels ultimativer Freund angesehen, aber genau wie er es in den USA getan hat, hat er uns von der westlichen Gemeinschaft isoliert, zu der wir gehören.“

Statt falsche Glitzersteinchen anzusammeln und sie seiner Frau und seinen Anhängern als Morgengabe zu präsentieren, wird er sich in der Kunst des Antichambrierens üben müssen. Statt aufwändiger, prachtvoller Besuche und Empfänge wird er seine Zeit mit oft mühsamer politischer Arbeit verbringen müssen. Europa hat sich abgewandt, weil wir es links liegen gelassen haben. Nun gilt es, den Glanz des Morgenlandes einzutauschen gegen die Realität des winterkalten, Corona geplagten Europas. Israel muss wieder den Platz in der westlichen Welt einnehmen, den es einst hatte.

Sein Aussenminister Gabi Ashkenazi hat das schon vor Wochen erkannt. Er wird eingeladen und wahrgenommen als gern gesehener Partner. Wann immer unser PM (und immer mit seiner Ehefrau), in seiner Funktion als Aussenminister reiste, verlangte er das Protokoll, das einem PM, oder vielleicht auch einem König in spe zustand. 

Nun ist es an der Zeit, sich wieder in Demut auf das zu besinnen, was schon klügere Köpfe vor Netanyahu erkannten: „Ohne inneren Frieden ist alles nichts wert.“

© esther scheiner, israel


[1] Root, Connections in the Torah, Rabbi Tziv Matisyahu Abrahams, Mosaica Press 2018, S. 292

[2] Kol Ischa, Jüdische Frauen lesen die Tora, div. Herausgeberinnen, Chronos Verlag 2007, S. 175 ff

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Lockdown 1! – 2! – 3?

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König David, der im Jahr 1.000 BCE Jerusalem zur ersten und seither einzigen Hauptstadt der bis dahin zwei Königreiche Israel im Norden und Juda im Süden machte, war wirklich ein Mann, der das Multitasking perfekt beherrschte. Seinen eigentlichen Beruf als Krieger und Feldherr füllte er durchaus erfolgreich aus. In der Freizeit schrieb er 83 Psalmen, die heute noch ihren festen Platz sowohl in der jüdischen, als auch in der christlichen Tradition haben. Seine grösste persönliche Ambition mag aber das «Sammeln» von Ehefrauen gewesen sein. Er gewann die Damen seines Herzens nicht immer auf die feine Art. Besonders der Ehemann seiner letzten und achten Ehefrau Bathsheba, musste die Leidenschaft Davids mit seinem Leben bezahlen und fiel einem ziemlich gemeinem Kriegstrick zu Opfer. Wie er mit all dieser Umtriebigkeit noch Zeit zum Regieren gehabt hat, wird immer ein Mysterium bleiben. 

Ich will nicht so vermessen sein, unseren PM mit König David zu vergleichen, obwohl dieser Vergleich so weit hergeholt nicht ist. Immer wieder schallen neben den Protesthupen und «Protestgesängen» auch Stimmen, die lautstark «Melech Bibi, Melech Bibi», also König Bibi skandieren. Das wird ihm, wohlgeborgen hinter den dicken Mauern der Amtsvilla in Jerusalem, oder seiner Privatvilla in Caesarea, wohltuend in den Ohren klingen. Bestätigen sie ihn doch in seinem vielleicht insgeheim gehegten Traum, der neue König des modernen Israel zu werden. 

Und weil er das (noch) nicht ist und hoffentlich auch nie werden wird, muss er sich wohl oder übel manchmal mit seinem Kabinett einigen. Eine schwierige Aufgabe, die er im Zick-Zack-Kurs zu meistern  versucht. 

Am 10. Juli verkündete Gesundheitsminister Yuli Edelstein, dass ein zweiter Lockdown für Israel unvermeidlich sein würde. Dies, sobald die Zahl der täglich Neuerkrankten die magische Schallgrenze von 2.000 überschreiten würde. An jenem Tag wurden 1.441 neue Aktivfälle gemeldet. Ein neuer Lockdown war also nur mehr eine Frage der Zeit. Zwölf Tage später war es so weit, die magische Zahl «2.000» war erreicht. Und was geschah? Nichts. Auch, als in den folgenden Tagen dieser Grenzwert immer wieder einmal überschritten wurde, kam aus Jerusalem nichts. Ab dem 31. August stiegen die Zahlen stetig an, bis sie am 23. September den bisherigen Höchstwert von 11.316 erreichten. 

Am 1. Oktober, die Zahlen lagen im hohen 5-stelligen Bereich, kündigte der PM an, dass der Lockdown diesmal sehr langsam und sorgsam geplant beendet werden würde. Er könne «bis zu einem halben Jahr oder Jahr dauern.» 

An diesem Tag  veröffentlichte das Gesundheitsministerium einen 8-Stufen-Plan, der während vier Monaten einen sicheren Ausstieg aus dem Lockdown weitgehend sicherstellen sollte. 

  1. Ab 18. Oktober sollten die Vorschulen wiedereröffnet werden. Ebenso dürfte in Büros ohne Publikumsverkehr wieder gearbeitet werden. Das Verbot, sich mehr als einen Km von daheim zu entfernen würde aufgehoben. Dadurch wären auch wieder Demonstrationen möglich, die Strände könnten wieder geöffnet werden. Restaurants dürften wieder Take-out anbieten. Der Flugverkehr, der de facto wieder nahezu zum Erliegen gekommen war, würde wieder aufgenommen. Maximale Neuerkrankungen: 2.000 pro Tag
  2. Ab dem 1. November könnten die ersten vier Klassen zurück in die Schule  gerufen werden. Synagogen und alternative medizinische Angebote (Akkupunktur, Massage) dürften wieder angeboten werden. Maximale Neuerkrankungen 1.000 pro Tag
  3. Ab Mitte November könnten Einkaufszentren, Sportanlagen und Märkte wiedereröffnet werden. Maximale Neuerkrankungen 500 pro Tag
  4. Ab Ende November dürften Restaurants und Caféhäuser wieder Gäste empfangen. Freizeitparks könnten wieder ihre Tore öffnen.  Maximale Neuerkrankungen 250 pro Tag
  5. Mitte Dezember könnten Hotels und Pensionen wieder aufmachen. Schwimmbäder dürften wiedereröffnet werden.
  6. Ab Ende Dezember könnten wieder Museen und Unterhaltungseinrichtungen besucht werden. Gruppensport wäre wieder zulässig. 
  7. Um den 10. Januar begänne wieder der reguläre Schulunterricht für alle ab der vierten Klasse.
  8. Ab Ende Januar könnte es wieder Sportveranstaltungen mit Publikum geben. Clubs und Bars könnten als letzte wieder in Betrieb gehen.

Ein sehr durchdachter Plan, der wesentlich verantwortungsvoller ist, als der hirnlose Ausstieg im Frühjahr. «Wir wollen der Wirtschaft helfen, aber auch euer Leben einfacher machen. Es für euch möglich machen, wieder raus zu gehen, zur Normalität zurückzukehren, eine Tasse Café, oder ein Glas Bier zu trinken. Aber vor allem, Spass zu haben» Mit diesen Worten kündigte der PM am 26. Mai das Ende des ersten Lockdowns an. Seit dem 2. Mai lagen damals die täglichen Neuerkrankungen im niedrigen zweistelligen Bereich. Israel atmete auf. Zwar lag die Wirtschaft, vor allem die Tourismusbranche auf dem Bauch, es gab fast eine Million Arbeitslose, viele kleine Unternehmer sahen keine Chance mehr auf einen Neubeginn. Israel war einer der Musterschüler für die erfolgreiche Bekämpfung der heimtückischen Corona Pandemie.

Doch dann kam alles anders,  kam alles viel schlimmer, als wir es uns hatten vorstellen können. Und aus Jerusalem kam wieder nichts. 

Unser PM hatte andere Probleme. Die Proteste gegen ihn und seine Zick-Zack-Politik, seine Unentschlossenheit, gegen die fehlende Unterstützung der maroden Wirtschaft, gegen die fehlende Unterstützung der zahllosen Arbeitslosen entfachte die Wut der Bevölkerung. Aber, auf dem Ohr blieb er taub. 

Er focht stattdessen seine Überlebenskämpfe gegen die Koalitionspartner. Düpierte wiederholt die wichtigsten Regierungsmitglieder. Als er am 15. September nach Washington flog, um das «Abraham Abkommen» zu unterzeichnen, hatte er im Vorfeld die israelische Seele verkauft. Mit der Zusage über den Verkauf der F-35 an die Vereinigten Arabischen Emirate erkauften sich Trump und sein Zampano Netanyahu die Unterschrift der arabischen Scheichs zu einem Abkommen, das als «Friedensvertrag» kolportiert wird, de jure aber nur ein Abkommen über enge diplomatische Beziehungen darstellt. Weder der Verteidigungsminister Gantz, noch der Chef der IDF Kochavi waren über den Deal informiert. Dafür seine Parteigenossen. Auch wenn der PM  betont, der Deal sei erst nach der Unterzeichnung des Abkommens geschlossen worden, so konnte man darüber bereits vor einigen Wochen in der Zeitung lesen. Der PM bezeichnete diese Nachrichten damals als «fake news». Tja, Lügen haben eben kurze Beine. 

Seit der Sudan von Trump mit dazu gepresst wurde, ist das der Ausverkauf der israelischen Volksseele. Um den Preis der Macht, um den Preis des Glanzes, zum politischen Nutzen für den PM.

Unser PM hat die Bodenhaftung verloren. Auch die im Zusammenhang mit dem, was derzeit Israel am meisten durchrüttelt. 

Schön, die (Corona) Zahlen sprechen für sich. Sie sinken von Tag zu Tag. Seit fünf Tagen befinden sie sich «nur mehr» im dreistelligen Bereich. Die Feiertage liegen mehr als zwei Wochen zurück, Neuinfektionen sollten also keine signifikanten Änderungen och oben mehr zeigen.

Der PM möchte schon wieder alles öffnen den Fehler vom Frühling wiederholen. Unterstützt wird er dabei u.a. vom Erziehungsminister, seinem politischen Kumpan. Unsere Corona Spezialisten werden, wie seit Wochen schon, einfach überstimmt und ausgetrickst.

Wenn die Politik sich wieder den Haredis, der Wirtschaft und den Arbeitnehmervertretern beugt, dann werden wir noch vor dem Winter in den dritten Lockdown gehen. 

Eine Nachricht, die heute in der Zeitung zu lesen war, lässt das befürchten. Schüler der ersten vier Klassen könnten bereits ab Sonntag wieder nach einem ausgeklügelten System in den Schulen unterrichtet werden. Allerdings wären damit enorm hohe Kosten verbunden, über deren Finanzierung noch diskutiert werden muss. Auch eine vorzeitige Wiedereröffnung von Geschäften steht derzeit zur Diskussion. Und, scheinbar ein besonderes Anliegen des PM ist, dass Hotels in Eilat und am Toten Meer ebenfalls wieder Gäste empfangen dürfen. »Wir werden spezielle Arrangements für sie treffen, weil sie abseits und isoliert liegen. Das ist sehr wichtig für die Bewohner dieser Regionen. Und für die Bewohner Israels, die gerne an definierte, sichere Orte reisen möchten.» 

© esther scheiner, israel

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Zwei COVID-19 Patienten im Hadassah Spital in Jerusalem

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Hochzeit im Hadassah Spital am 20.10.2020 © ynetnews

Gestern am 18. Oktober 2020 fand eine denkwürdige Trauung in einem der Innenhöfe des weitläufigen Hadassah Spitals in Jerusalem statt. Eine Trauung ist immer eine emotionale Feier. Der Vater des Bräutigams, Mitglied einer ultra-orthodoxen Familie aus Arad ist seit September in der Corona-Isolationsstation hospitalisiert. Sein Zustand ist sehr besorgniserregend, er darf und kann das Bett nicht verlassen. Aber das Leben geht weiter. Gestern heiratete sein Sohn, und es war der grosse Wunsch aller, dass er an der Zeremonie teilhaben könnte. 

Die Familien des Brautpaares wandten sich an Yad Avraham und es gelang,  gemeinsam mit der Klinikverwaltung, den Ärzten und Pflegern, eine Hochzeit zu organisieren, an der der Vater, wenn auch von seinem Bett aus teilnehmen konnte.

Yad Avraham, eine medizinische Betreuungsorganisation, die mitten im ultra-orthodoxen Jerusalemer Stadtteil Mea Shearim  angesiedelt ist, bekam auch ausserhalb dieser Kreise in den Jahren 2017 – 19 einige positive Aufmerksamkeit. In diesen Jahren, als es zu einer, sich rapide ausbreitenden Masern Epidemie kam, sorgte Rabbi Shimon Braun, einer der Leiter der Organisation dafür, dass 20.000 Kinder und Jugendliche in besonders gefährdeten Gebieten geimpft wurden und die Verbreitung so eingedämmt werden konnte. 

Dass gestern die strikten Vorschriften des Gesundheitsministeriums eingehalten werden mussten, stand ausser Diskussion. Statt einer, wie sonst in Israel üblich, grossen Hochzeitsgesellschaft wurde die Zahl der Teilnehmer drastisch reduziert. Die Hygienevorschriften wurden ebenso eingehalten, wie die Abstandregeln. 

Das Bett des 56-jährigen Vaters wurde ans Fenster geschoben, von wo aus er der Trauung seines Sohnes beiwohnen und die Genesungswünsche der Familie und Freunde entgegennehmen konnte. Sein Bett und das Fenster waren mit bunten Luftballonen dekoriert worden. 

Für das Brautpaar, die Familie und Freunde ein denkwürdiger Tag, den sie wohl nie mehr vergessen werden. Ich wünsche ihnen allen ein langes, gesundes Leben. 

Etwa zur gleichen Zeit wurde ein weiterer Patient im Hadassah Spital eingeliefert. Der Generalsekretär der PLO und Chefunterhändler (wobei mir unklar ist, um welche Verhandlungen es sich handelt, da diese seit Jahren von den Palästinensern auf Eis gelegt wurden), Saeb Erekat wurde hospitalisiert. Seine Tochter, eine Ärztin, sah sich nicht mehr im Stande, ihren Vater daheim in Jericho entsprechend zu behandeln. Erekat war Anfang Oktober positiv auf COVID-19 getestet worden und hatte sich seitdem in häuslicher Pflege befunden. 

Saeb Erekat © screenshot ToI

Nun hat sich sein Gesundheitszustand offensichtlich dramatisch verschlechtert. Die Ärzte zeigen sich, vor allem auf Grund seiner Vorerkrankungen sehr besorgt. Im Jahr 2017 hatte er sich in den USA einer Lungentransplantation unterzogen. Zur COVID-19 Erkrankung ist noch eine bakterielle Entzündung hinzugekommen. Es ist dies nicht die erste Behandlung Erekats in einem israelischen Spital. Bereits im Jahr 2017 war er in einem Spital in Tel Aviv stationär behandelt worden. 

Am Sonntag war Erekat von einem speziellen Fahrzeug des Magen David Adom mit einer Eskorte der IDF von seinem Haus abgeholt und nach Jerusalem gebracht worden. 

Entsprechend einem Sprecher der Fatah wurde er nicht auf Grund einer Corona Erkrankung, sondern auf Grund von Problemen mit der transplantierten Lunge eingeliefert. Das Hadassah Spital sei deswegen ausgesucht worden, weil es das nächst gelegene Krankenhaus mit einer speziellen Ausstattung sei. 

Auf Grund der aus medizinischer, aber auch politischer Sicht herausfordernden Situation, arbeiten die Ärzte des Hadassah Spitals bei der Betreuung von Erekat eng mit internationalen Kollegen zusammen.

© esther scheiner, israel

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