Nach der Wahl ist vor der Wahl!

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Israel darf wieder wählen! Am 9. April 2019,wird, wenn seine bescheidene Vorwegnahme des Wahlergebnisses zutreffen sollte, unser derzeitiger MP Benjamin Netanyahu wieder auf seinem Sessel in der Knesset platznehmen dürfen.

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Die erste israelische Regierung 1949 mutet noch wie ein munterer Seniorenclub an, © wiki common

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Die 34. Regierung 2018, © GPO Israel via Wikipedia

 

Seine bisherige Amtszeit liest sich als „never ending story“. Im Juni 96 gewann er gegen den verstorbenen Präsidenten Shimon Peres (Arbeiterpartei), der nach der Ermordung seines Parteifreundes Jitzhack Rabin das Amt des MP übernommen hatte.  Er blieb bis Juli 1999 im Amt. Nach einer Regierungszeit von ziemlich exakt drei Jahren ordnete er nach einem Misstrauensvotum Neuwahlen an. Diverse Skandale und Korruptionsvorwürfe entzogen ihm das Vertrauen der Bevölkerung und der Regierungsmitglieder. Sein Wahlslogan damals lautete: „Netanyahu – einen sicheren Frieden schaffen.“

Sein Nachfolger war Ehud Barak (Arbeiterpartei), der sich aber nur 1 ½ Jahre im Amt halten konnte. Nach dem Ausbruch der zweiten Intifada scheiterte er im Februar 2001 bei vorgezogenen Neuwahlen gegen Ariel Sharon (Likud).  Bei den nächsten regulären Wahlen im Jahr 2003 erzielte er einen Sieg über Awraham Mitzna (Arbeiterpartei), der nach dem grossen Verlust bei der Wahl seinen Sessel zugunsten von Shimon Peres räumte.

Ariel Sharon, der den Grossteil seines politischen Lebens ein Falke war, mutierte am Ende seines Lebens zur Taube. Ende 2003 legte er den „Sharon Plan“ vor, der den Rückzug aus Gaza und aus Teilen von Judäa und Samaria vorsah. Prompte Kritik kam aus den rechten politischen Reihen, während das linke Spektrum und internationale Bündnispartner dem Plan zustimmten. Um den Plan politisch durchsetzen zu können, löste Sharon die bisherige Koalition mit den rechten Parteien auf und bildete eine grosse Koalition von Likud und Arbeiterpartei. Netanyahu, zu der Zeit Finanzminister, reichte knapp vor dem allgemeinen Rückzug aus Gaza seinen Rücktritt ein.

Sharon sah sich fortlaufend mit grösserem Widerstand gegen den erfolgten Rückzug konfrontiert und zog seine Konsequenz.  Im November 2005 trat er als MP zurück und gründete eine neue Partei, „Kadima“.

Ende 2005 erlitt Ariel Sharon einen Schlaganfall. Nachdem klar wurde, dass er sein Amt nie wieder würde ausüben können, übernahm Ehud Olmert (Kadima) ab Januar 2006 die Regierungsgeschäfte. Bei den Wahlen im März 2006 verwies die neue Partei klar die Arbeiterpartei auf den zweiten Platz und Ehud Olmert wurde im Amt bestätigt. Nach verschiedenen Korruptionsverfahren, die aus der Zeit vor März 2006 stammten trat er im September 2008 als MP zurück, blieb aber bis zur vorgezogenen Neuwahl im Februar 2009 geschäftsführend im Amt. Seine Nachfolgerin als Parteivorsitzende wurde Tzipi Livni, die 2012 die neue Partei „Hatnua“ als Abspaltung von Kadima gründete.

Tzipi Livni gelang es trotz des eigentlichen Wahlsieges (22.47%) über den Likud mit Netanjahu (21.61%) nicht, eine Regierung zu bilden. Staatspräsident Shimon Peres beauftragte daher Netanyahu, eine Regierung zu bilden.

Und das ist es, was er mittlerweile bis zur Perfektion beherrscht. Das Bilden neuer Regierungen. Die immer ganz nach seinem Geschmack sind!

2013 war es der Haushalt, auf den man sich nicht einigen konnte. MP Netanyahu löste das Parlament auf und so gab es im Januar 2013 Neuwahlen. Seine Likud Partei verlor fast 10%. Der politische Newcomer Yair Lapid mit seiner Yesh Atid (Es gibt eine Zukunft) Partei holte aus dem Stand 14.3% und wäre durchaus koalitionsfähig gewesen.

Doch statt mit dieser jungen Partei und der Arbeiterpartei eine Koalition zu bilden, stützte sich MP Netanyahu auf die rechten Klein- und Kleinstparteien, und bildete eine rechts- rechtsaussen Regierung.

2015 durften wir schon wieder wählen.

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Das offizielle Wahlergebnis 2015

Und, Netanyahu wurde mit 23.4% wiedergewählt. Auf dem zweiten Platz landete die „Zionistische Union“ mit 18.67%, angeführt von Bougi Herzog, dem Enkelsohn von Chajim Herzog, der zehn Jahre Präsident von Israel gewesen war. Die Zionistische Union war ein Zweckbündnis aus Arbeiterpartei und Hatnua, mit dem die Mitte Links Parteien hofften, Netanjahu bei der Wahl zu besiegen.

Lapid mit seiner Partei landete auf dem dritten Platz mit 8.82%. Das wäre doch eine wenn auch knappe Mehrheit gewesen, aber was geschah?

Netanyahu bildete wieder eine rechts-rechtsaussen Koalition.

 

 

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Die Regierungskoalition vor und nach dem Austritt von Jsra’el Beitenu

Nachdem es seit dem frühen Frühjahr 2018 bis weit in den Herbst andauernde, teilweise heftige Angriffe aus Gaza auf Israel gegeben hatte, wurde es für die Hamas Terroristen Zeit, ihre Waffenbestände wieder aufzustocken und die durch die IAF zerbombten Abschussbasen und Waffenlager wieder aufzubauen.

Was tut die Hamas in dieser Situation, wir kennen das noch aus 2014 – sie flehen Ägypten an, einen Waffenstillstand mit Israel auszuhandeln. Dies passiert in der Regel sehr einseitig und irgendwann wird verkündet, dass ein Waffenstillstand nun in Kraft treten wird. Hamas hat als Voraussetzungen dazu unglaublich viele Vorbedingungen, Israel hingegen, das, wenn auch zähneknirschend, dieser trügerischen und zerbrechlichen Kampfpause zustimmt, hat nur eine einzige Bedingung. Die 100%ige Einstellungen aller Angriffe. So ganz hat das nie funktioniert, aber es wurde vorübergehend ruhiger an der Grenze zu Gaza. Dafür verlagerte sich der Terror nach Judäa und Samaria, es gab Verletzte, es gab Tote.

Verteidigungsminister Avigdor Liebermann, Vorsitzender der rechten Partei „Israel Beteinu“ trat daraufhin von seinem Ministeramt zurück. Er konnte sich nicht mit dem Waffenstillstand, den MP Netanyahu ohne Abstimmung der Regierungsmitglieder akzeptiert hatte, anfreunden. Gleichzeitig forderte er vorgezogene Neuwahlen.

Kurz darauf drohten Naftali Bennett, Bildungsminister und Minister für Diaspora Angelegenheiten und seine Parteikollegin Ayelet Shaked, Justizministerin von der Partei „HaBait haJehudi“, ebenfalls mit dem Rücktritt und dem Austritt aus der Regierungskoalition.  Die von Bennett gestellte Forderung war eine sehr bescheidene: Er wollte der neue Verteidigungsminister werden, ein Ansuchen, dass von MP Netanjahu rundheraus abgelehnt wurde.

Hätten die beiden tatsächlich ihre Drohung wahr gemacht, wäre das das Ende der derzeitigen Regierung gewesen. Warum sie ihre Meinung geändert haben, war nicht nachzuvollziehen.

MP Netanyahu konnte sich als nochmals bequem auf seinem Thron zurücklehnen und kündigte auch sofort an, er werde die Regierung auf jeden Fall bis zum November 2019, dem regulären Wahltermin fortführen.

Nach dem Rücktritt von Verteidigungsminister Liebermann bekleidete MP Netanjahu folgende Ministerämter: Ministerpräsident, Aussenminister, Verteidigungsminister, Ministerium Regionale Entwicklung, Ministerium für Einwanderung und Integration.

Möglich wird diese Anhäufung, die eigentlich schnell zu einer gesundheitsschädlichen Überbelastung führen muss, weil die Übernahme jedes freigewordenen Ministerpostens automatisch bis zur Neubestellung eines Nachfolgers durch den MP erfolgt.

Am vergangenen Montag hatten das Zögern und Zaudern ein Ende. MP Netanyahu verkündete, dass “aus Verantwortung für das Land und sein Budget die Vorsitzenden der Koalitionsparteien, ohne zu zögern beschlossen haben, die Knesset aufzulösen und nach einer vier jährigen Regierungszeit Neuwahlen im April durchzuführen.»

Welcher weise Entschluss aus der Residenz des MP in Jerusalem zu vernehmen war, kann nur vage nachvollzogen werden.

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Die aktuelle Sitzverteilung

 

Möglicherweise war ihm klargeworden, dass er es mit einer Mehrheit von nur mehr einer Stimme nicht schaffen würden, das überfällig neue Militärdienstgesetz durchzubringen. Dieses würde mit einer Übergangszeit von drei Jahren die orthodoxen Jugendlichen aus ihren Jeshiwot (Schulen für das Thorastudium) holen und in den Militärdienst integrieren. Während der ersten drei Jahre sollte nur ermahnt, aber nicht gestraft werden, danach gäbe es für jeden «Leider-nein-Soldaten» eine Busse, die von den orthodoxen Schulbetreibern gezahlt werden müssten. Alternativ könnten die bisher grosszügig geflossenen Unterstützungssummen eingestellt oder gekürzt werden. Yair Lapid (Yesh Atid) glaubt, dass die so verlorenen Gelder auf Umwegen wieder von der Regierung zurückgezahlt werden sollten. Er würde, so liess er verlauten, ganz sicher gegen das Gesetz stimmen. Avigdor Liebermann, der mittlerweile auf der Oppositionsbank sitzt und der massgeblich an der Formulierung des neuen Gesetzes beteiligt war, hat sich Lapids’ Haltung angeschlossen.

Möglicherweise sind es aber auch die noch im Raum stehenden Rechtsfälle, die derzeit noch von General Staatsanwalt Avichai Mandelblit untersucht werden. MP Netanyahu baut darauf, dass dieser seine Entscheidung so kurz vor einer Wahl nicht publikmachen wird. Und sollte er, wie er überzeugt ist, wiedergewählt sein, so würde der General Staatsanwalt ihm den Beginn der neuen Legislaturperiode nicht durch frühzeitige Anklagen verderben.

Möglicherweise sind es aber auch die parteiinternen Aktivitäten, die MP Netanyahu beunruhigen. Der ehemalige IDF Chef Benny Ganz hat sich noch nicht entschieden, ob er mit einer neuen Partei in den Wahlkampf einstiegen will, oder nicht. Auch der ehemalige Verteidigungsminister, Moshe Yaalon (ehemals Likud) kündigte an eine neue Partei gründen zu wollen, mit der er eine «bessere Alternative zur derzeitigen Regierung» präsentieren will. Auch Ehud Barack ziert sich noch, hat aber eine erneute Kandidatur, selbstverständlich auch mit einer neuen, eigenen Partei nicht gänzlich ausgeschlossen.

Während sich MP Netanyahu schon als Wahlsieger sieht und verspricht, dass die jetzige Koalition das «Herz der neuen Regierung sein wird» bleibt auch die Opposition nicht stumm.

Avi Gabbay (Zionist Union) begrüsst die Neuwahlen und stimmt seine potentiellen Wähler schon auf seine Regierungszeit ein: «Ich bin mir der Bürde der Verantwortung bewusst, die ein MP zu tragen hat und als solcher werde ich den Staat Israel in eine bessere Zukunft führen. Eine Zukunft der Veränderungen, eine Zukunft der Einheit, der Hoffnung und dem Glauben daran, dass wir uns ändern können. Im April werden wir gewinnen und Israel diese Veränderung bringen»

 Oppositionschefin Tzipi Livni (Zionist Union) gibt sich bei aller Euphorie «Der Wahltag wird ein Tag der Umkehr sein. Dies muss einfach zum Wohl der Bürger Israels geschehen! Heute ist die Hoffnung zurückgekommen und wir können ein wenig erleichtert aufatmen.» auch beunruhigt «Ich habe keinen Zweifel, dass Netanyahu auf seinem Weg hinaus aus der Regierung noch alles zerstören wird, was von der Israelischen Demokratie übrig ist. Wir werden alles tun, um ihn daran zu hindern. Er wird natürlich auch versuchen, die Öffentlichkeit auf seine Seite zu ziehen. Unser Job wird es sein zu erklären, dass es einen Interessenkonflikt zwischen Netanyahu und der israelischen Bevölkerung gibt.»  

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5 Minuten vor 12! ©Reuters/Amir Cohen in Haaretz

Das Leben eines Königs kann schön und prächtig sein, aber wenn das Volk sich von seinem Herrscher abwendet und seine Getreuen ihn verlassen, dann wird es Zeit für einen Wechsel. Könige können nur gestürzt werden, Ministerpräsidenten dürfen selbst entscheiden, wann es an der Zeit ist. Sie sollten sich aber in Würde verabschieden!

 

© esther scheiner, israel

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Kommentar

Eingeordnet unter Allgemein

Eine Antwort zu “Nach der Wahl ist vor der Wahl!

  1. Herr Vorragend

    „Dieses würde mit einer Übergangszeit von drei Jahren die orthodoxen Jugendlichen aus ihren Jeshiwot (Schulen für das Thorastudium) holen und in den Militärdienst integrieren.“

    Die ULTRA-Orthodoxen (= Charedim) sind gemeint. Andere orthodoxe Juden, wie z. B. die National-Religiösen, dienen ja seit jeher in der Armee.

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