.. zu Ehren von vier italienischen Gerechten unter den Völkern
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Seit 1909 gibt es das Giro d’Italia, das nach der Tour de France zweitwichtigste Strassenrennen der Welt. Zwar führte das Giro schon häufiger ins Ausland, begann aber noch nie ausserhalb Europas.
Die erste Teiletappe beginnt am kommenden Freitag, 4. Mai in Jerusalem. Am Samstag führt der Weg von Haifa über Akko, Zichron Yaacov, Caesarea nach Tel Aviv. Die längste Strecke müssen die Fahrer am Sonntag absolvieren. Die Strecke führt an diesem Tag von Be’er Sheva nach Eilat. Ab Dienstag 8. Mai verläuft das Rennen dann auf italienischem Gebiet, bevor es am Sonntag, 27. Mai in Rom endet.
In Zichron Ya’acov läuft schon seit Wochen die Planung. In der vergangenen Woche durften einige Radler die Strecke unter „Wettbewerbsbedingungen“ abfahren. Die Strecke war geschmückt. Hunderte Schaulustige spendeten herzhaften Beifall, wenn sich wieder der eine oder andere Fahrer über den Anstieg aus dem Tal heraufgequält hatte. Die Stimmung war so gut, dass man sich für das eigentliche Spektakel nicht Besseres wünschen kann.
Der Wetterbericht für die kommenden Tage ist gut, die derzeitige Hitze und die starken Winde sollen abflauen, für Samstag sind nur mehr 24° prognostiziert.
Warum beginnt diese italienische Nationalveranstaltung im Jahr 2018 in Israel?

Gino Bartali bei der Schweizer Meisterschaft in Zürich, die er 1946 und 1948 gewann
Der Grund ist ein Mann namens Gino Bartali. Geboren wurde er am 18. Juli 1914 in Ponte a Ema (Toskana). Der winzige Ort profitiert einzig durch seinen bekannten Bürger, dem auch ein kleines Museum gewidmet ist.
Gino Bartali wird auch der „radelnde Mönch“ genannt. Tiefgläubiger Katholik, wie viele Menschen es in den ländlichen Gegenden Europas waren, war er der Mystiker unter den Rennfahrern. Wortkarg, verschwiegen, eigensinnig. Jeden Renngewinn teilte er unmittelbar nach dem Erhalt unter der Mannschaft auf. Jede Etappe beendete er mit einem Gebet. 1937 trat er als Laie in den Dritten Orden der Karmeliter ein.
Als er im Jahr 1948 die 35. Tour de France gewinnt, erzählt er, er habe seinen Sieg auf er Etappe Biarritz-Lourdes als Omen angesehen. Dieses Rennen ist das erste, das vom französischen Fernsehen teilweise übertragen wird. 2000 Pariser Haushalte konnten so den Zieleinlauf und die Siegerehrung mitverfolgen.
Zwischen seinem ersten Sieg der Tour de France und diesem zweiten Erfolg lagen zehn Jahre. Es war die Zeit des Naziterrors, der so viele Menschen das Leben kostete.
Seine Freundschaft mit dem damaligen Erzbischof von Florenz, Elia Dalla Costa brachte ihn in Kontakt mit einer katholischen Widerstandsbewegung. Seit der Machtübernahme der Nazis wurden ab 1943 auch italienische Juden in die Konzentrationslager deportiert. Gemeinsam mit dem Oberrabbiner von Florenz, Nathan Cassuto, den Nonnen eines Klarissinnen Klosters in Assisi und zwei Druckern, Luigi Brizi, sowie seinem Sohn Trento, hatte Elia Dalla Costa in Assisi ein Netzwerk des Widerstandes geschaffen. Etwa 800 Juden wurden mit neuen Papieren, die in Assisi gedruckt wurden, versehen und konnten so fliehen.
Gino Bartali stellte sich als Kurier zur Verfügung. Auch wenn zu der Zeit keine Radrennen stattfanden, war es durchaus glaubhaft, dass er, in der Hoffnung auf ein baldiges Kriegsende wieder trainierte. Und so fuhr er tagtäglich von der Toskana nach Umbrien, in die Abruzzen und wieder zurück. In den Gestängen seiner Velos säuberlich zusammengerollt die Papiere. Er radelte allein, unter den Augen der Nazis, geriet immer wieder in gefährliche Situationen, riskierte mehr als einmal sein Leben. An manchen Tagen fuhr er mehr als 300 Km.

Die Druckerpresse, auf der die Dokumente gefertigt wurden © screenshot Yad Vashem

Einer der gefälschten Pässe, @ screenshot Yad Vashem

Nathan Cassuto mit seiner Familie
Nathan Cassuto wurde im November 1943 von der SS gefangengenommen und mit seiner Frau nach Auschwitz deportiert. Seine Frau überlebte, wanderte nach Israel aus und wurde während des Unabhängigkeitskrieges bei einem Überfall auf einen Krankentransport getötet. Ihre beiden Kinder überlebten den Krieg im Versteck bei einer christlichen Familie in Florenz.
Im Keller seines Hauses in Florenz versteckte Gino Bartali einige der jüdischen Familien, die er mit den Ausreisepapieren versorgte. Die Menschen, denen er mit zur Flucht verhalf, haben ihn nie gesehen. Das Essen wurde ihnen von seiner Frau gebracht, die offiziell nicht wusste, dass ihre Gäste Juden waren.
Er hat selten über seine Heldentat gesprochen. Seiner ältesten Enkelin, Gioia hat er früh eingeschärft, worauf es ankomme im Leben: «Demut, Aufrichtigkeit, Bescheidenheit. Gewisse Medaillen heftet man sich nicht an die Jacke, sondern an die Seele.»
Gino Bartali verstarb am 5. Mai 2000 in Florenz. Sowohl er, als auch Erzbischof Elia Dalla Costa und die beiden Drucker Luigi und Trento Brizi fanden posthum als „Gerechte unter den Völkern“ in Yad Vashem Aufnahme. Gestern, am 2. Mai, nahm seine Enkelin, Gioia Bartali von Avnet Shalev, Vorsitzenden von Yad Vashem, die Urkunde in Empfang, mit der ihr Grossvater zum Ehrenbürger Israels ernannt wurde.
© esther scheiner, israel